Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Appetit.« So kannte er sie gar nicht.
»Ida will heiraten«, sagte Georg lachend. »Das hat ihr den Appetit verdorben und offensichtlich auch die Sprache verschlagen.«
Feodora sah ihn wütend an. Hatte sie ihm nicht über eine Stunde lang ihre Bedenken aufgezählt? Aber bevor sie etwas sagen konnte, fragte Lützow neugierig: »So, so, die Ida heiratet. Wer ist denn der Glückliche?«
»Albert Lackner, du kennst ihn doch auch.«
»Natürlich. Wir waren zur selben Zeit an der Universität. Ein sehr netter Kerl.«
»Ihr scheint ja richtig begeistert zu sein«, murmelte Feodora missgelaunt. »Ich finde es einfach ein bisschen plötzlich, das Ganze. Die Hochzeit soll bereits im Mai stattfinden.« Siewurde jetzt richtig trotzig. »Da wollten wir eigentlich nach Paris reisen und uns neu einkleiden.«
»Nun sei man nicht traurig, Fedachen«, sagte Georg tröstend. »Du hast ja mich. Ich liebe es, mit dir einkaufen zu gehen. Wo auch immer auf dieser Welt.«
Ein paar Tage später erschien Ida in der Münzstraße. Sie war eine vor Glück strahlende Braut. »Es war wirklich Liebe auf den ersten Blick, Fedachen. Kannst du dir so was vorstellen?« Sie klatschte vor Vergnügen in die Hände. »Du hättest die entgeisterten Gesichter meiner Eltern sehen sollen, als ich ihnen seelenruhig erklärt habe, dass ich demnächst heiraten würde. Dabei hatte mir Albert noch gar keinen Antrag gemacht. Ich hatte ihn ja erst ein paar Stunden vorher kurz bei dem Schmidt gesehen.«
»Wieso warst du dir denn so sicher?« Feodora sah ihre Freundin zweifelnd an. War sie vielleicht doch verrückt geworden?
»Ich wusste es einfach. Ich bin so verliebt, und Albert ist es auch. Er ist es, der so schnell wie möglich heiraten will.« Sie schwieg einen Moment. »Du weißt, ich habe nicht nach dem Glück gesucht. Es ist mir einfach so begegnet.« Sie blickte Feodora traurig an. »Du freust dich gar nicht mit mir. Das macht mich ganz unglücklich. Albert ist der Richtige, glaub mir.«
Feodora gab sich einen Ruck. »Doch, Idachen, ich sehe ja, wie glücklich du bist. Ich wünsche dir und deinem Albert wirklich alles Glück dieser Welt.«
In den Wochen vor der Hochzeit sah Feodora ihre Freundin kaum. Die Vorbereitungen hielten sie in Atem. » Es gibt so schrecklich viel zu tun« , schrieb sie an Feodora. »Die Einladungen müssen verschickt, Speisepläne aufgestellt und extraPersonal eingestellt werden. Mein Vater hat ständig neue Wünsche das Essen betreffend. Die Mamsell ist kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Du kennst ihn ja, er hat immer Angst, dass es nicht genug zu essen gibt. Vor allem für ihn. Er frisst wirklich wie ein Scheunendrescher.«
Wenn Ida zur Anprobe des bei Madame Yvette in Auftrag gegebenen Brautkleides nach Königsberg kam, reichte ihre Zeit höchstens für eine Tasse Tee bei Feodora, und dann war sie schon wieder verschwunden.
»Sind alle Bräute so durchgedreht?«, fragte Feodora Georg.
»Keine Ahnung, ich war noch keine«, antwortete er lakonisch.
Der 9. Mai war ein warmer Frühsommertag. Als Feodora in Klein Darkehmen ankam, wie immer etwas zu spät, waren auf dem Rasen vor dem imposanten Herrenhaus schon zahlreiche festlich gekleidete Menschen versammelt. Diener im Frack servierten kalte Getränke und Kanapees. Am Rand des nahe liegenden Weihers, unter schattenspendenden, blühenden Kastanienbäumen, waren lange, üppig dekorierte Tische aufgestellt, wo später das Hochzeitsessen stattfinden würde.
»Da bist du ja endlich, du Traum meiner schlaflosen Nächte«, begrüßte Georg, der mit seiner ganzen Familie aus Weischkehmen herübergekommen war, Feodora. »Ich hatte schon befürchtet, du würdest die Hochzeit deiner besten Freundin verpassen.«
»Heute war es ausnahmsweise mal nicht meine Schuld«, verteidigte sich Feodora. »Die Haken an meinem Kleid waren nicht ordentlich angenäht. Irma musste erst noch zu Nadel und Faden greifen.«
»Ist dein Kleid von Madame Yvette?«, fragte Maria.
»Ja, nach einem Modell von Worth. Toll, was?«
»Es steht dir fabelhaft. Vor allem die Farbe«, mischte sich jetzt Gustav Goelder ein.
»Ich habe gedacht, ich nehme mal Lindgrün, passend zur Allee«, sagte Feodora lachend. Sie klappte ihren mit grüner Spitze bezogenen Sonnenschirm auf und hakte sich bei Maria ein. »Komm, wir laufen mal ein wenig herum. Ich habe ja noch nicht einmal die Brauteltern begrüßt.«
Als sie außer Hörweite waren, fragte Gustav seinen Sohn: »Sag mal, mein Junge, warum heiratet ihr
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