Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
dass auch sie es eines Tages finden wird, obwohl sie das gar nicht hören will.«
»Na ja, solange es Träume gibt …«, erwiderte Albert darauf ironisch. Für solche Gefühlsduseleien, wie er das nannte, war er zu pragmatisch. Beruflich war er äußerst erfolgreich. Seine Kanzlei wuchs, und seine Klientel reichte inzwischen weit über Insterburg hinaus.
Feodora war wie jedes Jahr mit ihrer Entourage für einige Wochen auf Gut Eichen gewesen. Auf ihrem Rückweg nach Königsberg besuchte sie Ida, die bereits wieder hochschwanger war.
»Stell dir vor«, begrüßte Ida sie aufgeregt. »Albert hat gestern die Villa Orlov gekauft.«
»Du meinst das Prachthaus am Garwehner Teich?« Feodora war erstaunt. »Ich dachte, dieser Hajo von Orlov käme aus Indien zurück und wollte demnächst dort mit seiner Familie einziehen?«
»Stell dir vor«, erzählte Ida, »seine Frau hatte eine Fehlgeburt und ist dabei gestorben. Orlov war nur ganz kurz hier, um das Haus zu verkaufen. Er fühlt sich außerstande, dort allein einzuziehen. Er will für immer in Indien bleiben.« Sie schwieg einen Moment. »Ich finde ja eigentlich, dass es über unsere Verhältnisse geht …« Doch dann sprudelte es aus ihr heraus. »Feda, das Haus ist unglaublich. Es hat Gasbeleuchtung und Wasserklosetts und drei Badezimmer, kannst du dir das vorstellen? Geplant hat es ein ganz berühmter Architekt, Olbricht heißt er.« Sie bekam vor Aufregung rote Flecken im Gesicht. »Das ist ja so ein Luxus, ich kann es noch gar nicht glauben. Sag mal, hast du eigentlich den Hajo jemals kennengelernt?«
»Nein, ich kenne nur seine Eltern, sie waren ein paarmal bei uns zur Jagd auf Gut Eichen.«
Ihre Unterhaltung wurde kurz unterbrochen, weil Walter, Idas Sohn, seiner Mama unbedingt ein Küsschen geben wollte.
»Er ist so süß«, sagte Ida strahlend. »Ich könnte ihn den ganzen Tag knuddeln. Aber jetzt erzähl doch von dir. Wie war es auf Gut Eichen?«
Feodora musste laut lachen. »Ich fürchte, der ganze Landkreis wird wieder für ein Jahr Gesprächsstoff haben. Du weißt ja, meine Freunde sind hemmungslos, was das Feiern betrifft.«
»Hat man jemals wieder etwas von Klaus gehört?«
Für einen Moment schien es, als würde Feodora in Tränen ausbrechen.
»Verzeih, Feda. Ich wollte nicht …«
»Ist schon gut, Ida. Nein, niemand hat von ihm gehört. Ich habe inzwischen auch die Hoffnung aufgegeben …«
»Willst du nicht irgendwann mal zur Ruhe kommen?« Liebevoll drückte Ida die Hände ihrer Freundin. »Du solltest dir einen netten Mann suchen …«
Feodora war aufgesprungen. »Hör auf, Ida! Du hast dein Glück gefunden. Aber ich will frei sein, unabhängig, mein Leben genießen und mit Sicherheit nicht wieder heiraten.« Ida nahm ihre Freundin zum Abschied in den Arm. »Glaub mir, Fedachen, jeder Mensch ist auf der Suche nach dem Glück. Im tiefsten Herzen auch du. Du willst es dir nur nicht eingestehen. Aber ich weiß, eines Tages wirst du es finden.«
Bald darauf reiste Feodora mit Georg nach München. »Ihr müsst unbedingt in Schwabing Quartier nehmen«, hatte Corinth zu Georg gesagt. »Das ist ein Vorort von München, da ist die Hölle los. Feda und du, ihr werdet euch amüsieren,das garantiere ich euch. Wenn ihr kommt, findet ihr mich am Abend immer in der Gastwirtschaft Abenthum, die kennt da jeder.«
Gleich am ersten Abend ließen sie sich von einer Droschke dorthin bringen. Das Lokal war brechend voll, die Luft rauchgeschwängert, und es roch nach Bier und Schweinebraten.
»Finden wir hier den Herrn Lovis Corinth?«, fragte Georg den Wirt, einen grobschlächtigen Mann mit einem Vollbart, der hinter einer riesigen Theke eine gelbe Flüssigkeit in eimergroße Gläser zapfte.
»Do in derer Stuben.« Der Wirt deutete mit seinem Kopf auf einen der hinteren Räume. »Do hockt er mit soane Spez’n«, sagte er in einer für Feodora unverständ lichen Sprache. »Aber nimmer lang, wann er soan Deckel net boit zahlt.«
Corinth saß lautstark diskutierend mit mehreren Männern an einem blank gescheuerten Holztisch. Er sprang auf, als er die beiden sah. »Georg, Feda, was für eine Freude, euch zu sehen. Darf ich bekannt machen? Georg Goelder und Feodora von Harden, Freunde aus Königsberg, und das sind Otto Frölicher, Gabriel von Seidl, Adolf Oberländer …«
Der Lärm in dem Lokal war so groß, dass Feodora die weiteren Nachnamen nicht verstand. Es spielte auch gar keine Rolle, man redete sich sowieso gleich mit den Vornamen an.
»Eine neue
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