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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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sang Jauchzet dem Herrn alle Welt . Um den Altar amEnde des Saales, der mit der roten Decke der 1. Garde-Infanterie-Division bedeckt war, waren Fahnen und Standarten aller kämpfenden Truppen aufgestellt. Nach dem Gottesdienst stellte der König sich inmitten der Fürstlichkeiten auf und hielt vor diesen eine Ansprache. Danach verlas Kanzler Bismarck eine Proklamation an das deutsche Volk, in der er seine Freude zum Ausdruck brachte, dass sich nun nach fünfundsechzig Jahren Kampf die Sehnsucht des deutschen Volkes nach Einheit erfüllt habe. Die Rede ist auf der folgenden Seite abgedruckt. Den Akt der Ausrufung vollzog der Schwager des Königs, Friedrich Großherzog von Baden. ›Seine kaiserliche und königliche Majestät leben hoch, hoch, hoch‹, rief er, und der ganze Saal fiel begeistert in die Hochrufe ein. Danach beugte der Kronprinz die Knie vor dem Kaiser, um ihm die Hand zu küssen. Der aber zog ihn an seine Brust und küsste ihn tief bewegt auf beide Wangen. Nachdem der Kaiser die Glückwünsche der Fürstlichkeiten entgegengenommen hatte, defilierten die Offiziere und Beamten an ihm vorbei. Dann verließ er unter den Klängen des Hohenfriedberger Marsches die Versammlung. Doll, wirklich doll«, rief Hanno erneut, nachdem er zu Ende gelesen hatte.
    Wie jedes Jahr versank das Land im Schnee. Es war klirrend kalt. Carla fuhr immer noch jede Woche nach Troyenfeld, um Feodora zu besuchen. Sie nahm jetzt den Pferdeschlitten. Reiten war bei den verschneiten Wegen zu gefährlich. Leopold wurde nun täglich zurückerwartet. Er hatte an Natascha depeschiert, dass es ihm gut gehe und er nach der Krönung direkt nach Hause reisen würde.
    Am Wochenende war Horst Kölichen mit seiner Frau Lieselotte von Insterburg nach Buchenhain herübergekommen.
    »Sie fressen uns zwar die Haare vom Kopf«, sagte Carla, als sie mit Hanno allein war, »aber sie sind wirklich unterhaltsam.«
    »Du hast ja recht.« Hanno musste lachten. »Sie sind beide wahrlich gute Esser.«
    »Ich habe ja gar nichts dagegen, sollen sie doch essen, so viel sie wollen. Das ist ja hier so üblich. Aber nach dem zwanzigsten Ei morgens und dem fünfzehnten Königsberger Klops zum Mittag habe ich immer die schlimmsten Befürchtungen, dass Horst irgendwann einmal platzt. Und auch Lieselotte ist stark gefährdet. Stell dir bloß mal diese Sauerei vor.«
    »Das wollen wir doch nicht hoffen.« Hanno war immer noch amüsiert. »Erstens ist er mein Anwalt, und ich brauche ihn noch, und zweitens ist es immer so lustig mit ihnen. Die Verdauungsschnäpse haben bisher ja das Schlimmste verhindert.«
    Nachdem er zum Mittagessen wieder Unmengen verdrückt hatte, erzählte Horst Kölichen den anderen eine Geschichte aus seiner Kanzlei. »Vor ein paar Tagen war eine Frau mittleren Alters bei mir.
    ›Ik will mir scheiden lassen, Herr Anwalt‹, sagte sie.
    ›Warum?‹, frage ich. ›Gibt Ihr Mann Ihnen nicht genug Wirtschaftsgeld?‹
    ›Doch, doch, is jenuch.‹
    ›Ja schlägt er Sie denn?‹, frage ich weiter.
    ›Nu nee, man nich doch‹, sagt sie empört.
    ›Und was ist mit der Liebe?‹
    ›Da kann ik och nich klagen.‹
    Darauf ich: ›Also dann hapert’s wohl an der Treue?‹« Er musste so lachen, dass er kaum weitersprechen konnte.
    »›Da, Herr Anwalt, kriegen Se ihn! Dat fünfte Kind is nich von ihm.‹« Nun brachen alle in schallendes Gelächter aus.
    »Nein, diese Ostpreußen, und dieser Dialekt. Ich kann mich immer wieder totlachen«, sagte Lieselotte. »Stellt euch vor. Gestern wollte ich bei Pakuschke im Fischgeschäft einkaufen. Der Laden war geschlossen, und vor der Tür stand ein großes Pappschild, auf dem stand Keine Fische sind nicht mehr . Ist das nicht zum Schreien?«
    Die vier saßen in der Bibliothek beim Whist, als Franz leise klopfte und auf einem silbernen Tablett eine Nachricht brachte.
    »Sie ist von Leopold«, sagte Hanno. »Er ist gerade angekommen und erwartet uns morgen zum Mittagessen. Ihr kommt natürlich mit.« Er sah Horst und Lieselotte fragend an. »Es interessiert euch doch sicher, was Leopold von der Krönung zu berichten hat.«
    »Nichts mehr als das«, rief sein Freund begeistert. »Mit Sicherheit hat er viel zu erzählen.«
    Nach einem ausgiebigen Frühstück am nächsten Morgen – Carla hatte beim einundzwanzigsten Ei und dem siebten Leberwurstbrot, das in Horsts Magen verschwand, aufgegeben zu zählen – bestiegen sie gut gelaunt den Schlitten. Es war wieder klirrend kalt. Das Thermometer zeigte 25 Grad minus. Mit

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