Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
»aber irgendwann werde ich Land oder ein Stück Forst verkaufen müssen.«
»Zum jetzigen Zeitpunkt kann ich davon nur dringend abraten.« Kölichen schüttelte bedenklich den Kopf. »Alle versuchen zu verkaufen, die Preise sind im Keller. Das Überangebot … du verstehst?«
»Wie geht es in Buchenhain? Ich habe Schröder eine Weile nicht gesehen.«
»Ich komme gerade von ihm. Er sagt, das Gut trage sich von allein. Da keine Diener und Stubenmädchen mehr gebraucht werden und Elfriede und Kurt bei dir in Lohn und Brot sind, kommt er mit dem, was erwirtschaftet wird, gut zurecht. Er hat feste Kunden aus Insterburg für Eier, Hühner,Wild und Getreide. Damit sind die laufenden Kosten gedeckt.«
»Ein guter Mann, dieser Schröder«, sagte Leopold. »Was für ein Glücksfall für Hanno und meine Schwester.«
Hin und wieder fuhren Leopold und Natascha für ein paar Tage nach Königsberg. Sie logierten im Berliner Hof, machten tagsüber Besorgungen, und abends gingen sie in ein Theater, die Oper oder sahen Freunde. Sie waren ein auffallend schönes Paar. Überall, wo sie erschienen, erregten sie Aufsehen. Wenn Natascha in einer ihrer hinreißenden Worth-Kreationen in ihrer Loge Platz nahm, begann man zu tuscheln, und alle Operngläser wurden auf sie gerichtet. Man versuchte, ihre Kleider und ihren Schminkstil zu kopieren, und keiner, auch nicht die missgünstigsten Frauen, konnte leugnen, dass sie eine außergewöhnlich schöne Frau war. Aber sie hatte keine Freundinnen. Während ihrer ersten Jahre auf Troyenfeld waren die Frauen in ihrem Umfeld sehr um sie bemüht. Man lud sie zu Spielrunden, Tee- und Spielnachmittagen mit den Kindern ein. Man forderte sie auf, an gemeinnützigen Veranstaltungen teilzunehmen, aber fast immer sagte sie ab, erfand fadenscheinige Ausflüchte. Und irgendwann blieben die Einladungen aus. Bald war sie als arrogant und dünkelhaft verschrien. Solche Frauen brauchte man nicht in Ostpreußen. Nur Marisa von Orlov und Agathe Goelder bemühten sich noch eine Weile um sie, Leopold zuliebe.
Es war während eines Kindergeburtstags auf Weischkehmen, als es auch mit ihnen zum Bruch kam. Auf Leopolds Drängen hatte Natascha zugesagt. »Für die Kinder wird es ein großer Spaß sein«, sagte er. »Die Lackner-Jungen werdensicher kommen und Antonia Henkiel mit Johannes und Ida. Die ist in Fedas Alter. Unsere Tochter braucht doch mal eine Spielgefährtin.«
»Sie hat schließlich ihren Bruder«, murrte Natascha, aber Leopold ließ sich nicht beirren. »Ich meine, du könntest auch mal eine Abwechslung brauchen.«
Als sie auf Weischkehmen ankamen, war das Fest schon in vollem Gang. Auf der überdachten Terrasse, wo die wilden Rosen in voller Blüte standen, saßen die Mütter bei Kaffee und Kuchen, während ein Haufen Kinder im Garten herumtobte. Nachdem Feodora die Damen artig mit Knicks und Handkuss begrüßt hatte, mischte sie sich unter die spielenden Kinder. Rüdiger drückte sich ängstlich an seine Mutter.
»Komm, mein Junge.« Agathe nahm ihn an die Hand. »Ich bringe dich zu den anderen. Du willst doch nicht den Nachmittag mit uns alten Tanten verbringen.«
Widerstrebend ließ er sich mitziehen. Die lärmenden Jungen machten ihm Angst. So etwas war er nicht gewohnt.
»Schau mal, Natascha«, rief Antonia Henkiel erfreut. »Unsere Mädchen scheinen sich schon angefreundet zu haben.«
»Sieht so aus.« Natascha warf nur einen kurzen Blick hinüber zu den beiden, die sich, etwas entfernt von den Jungen, auf einer Bank lebhaft unterhielten.
Auch den Damen gingen die Themen nicht aus. Agathe war im siebten Monat schwanger.
»Was meinst du«, fragte jemand. »Wird es diesmal ein Mädchen?«
»Ich kann es nur hoffen.« Agathe rollte die Augen. »Noch so einen Rabauken wie Carl überlebe ich nicht.«
»Wenn es nun eine Tochter wird, wie soll sie dann heißen?«
»Gustav wünscht sich eine Clara. So hieß seine verstorbene Mutter.«
Die Frauen wandten sich anderen Themen zu. Wie immer bei solchen Gelegenheiten wurde heftig geklatscht. Marike Grüben wusste wieder das Neueste aus Insterburg, und Antonia berichtete von ihrem Kutscher Heinrich, dem sie zu Weihnachten einen neuen Schirm geschenkt hatte. »Vorigen Sonntag beim Kirchgang hat es fürchterlich geschüttet«, erzählte sie, »und als Heinrich in die Kirche kam, war er völlig durchnässt. ›Wo hast du denn deinen neuen Schirm, den ich dir geschenkt habe?‹, frage ich ihn. Und wisst ihr, was er geantwortet hat?« Sie konnte vor
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