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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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Lachen kaum weiterreden. »›Da isser …‹, und zieht ihn knochentrocken unter der Jacke raus! ›Wenn ik ihn benutz, dann isser ja man nich mehr neu.‹«
    »Das ist ja herrlich!« Auch Agathe musste lachen und hielt sich ihren dicken Bauch. »Das muss ich nachher Gustav erzählen. Er liebt solche Geschichten.«
    »Wisst ihr, welche Anzeigen ich kürzlich im Ostpreußischen Tageblatt gelesen habe?«, warf Marisa ein. »Zu komisch, sage ich euch. Eine lautete: ›Eine Kuh, die jeden Tag kalben kann, steht preiswert zum Verkauf.‹ Und: ›Tüchtige Schweinemagd zum Mästen gesucht.‹ Sind das nicht herrliche Stilblüten?«
    Alle brachen in Gelächter aus, nur Natascha schien nicht sonderlich amüsiert. Sie hatte keinen Sinn für diese Art von Humor, und die meisten Leute, über die gesprochen wurde, kannte sie nicht. Ihre Gedanken schweiften nach St. Petersburg zu ihrem Vater. Schon längere Zeit hatte sie nichts von ihm gehört.
    »Maman«, riss Feodora sie aus ihren Gedanken, »darf ich Ida mal besuchen? Sie wohnt in Klein Darkehmen.«
    Bevor Natascha antworten konnte, hörte sie Rüdiger laut weinen. Sie stieß ihre Tochter zur Seite und rannte mit gerafften Röcken zu den Jungen. »Weichei, Lackaffe, Heulsuse«, rief einer, was einen erneuten Tränenschwall bei Rüdiger auslöste.
    »Was fällt dir ein, du Bauerntrampel«, schrie Natascha.
    »Carl«, mischte Agathe sich ein. »So benimmt man sich nicht einem Gast gegenüber.«
    »Er will nichts mitmachen«, sagte Carl trotzig. »Und wie der überhaupt angezogen ist!«
    Agathe musste innerlich lachen. Neben ihren Rabauken sah Rüdiger in seinem Samtanzug mit dem weißen Rüschenhemd wirklich etwas exotisch aus. »Entschuldige dich gefälligst bei Rüdiger«, sagte sie ungewohnt streng. »Los, gib ihm die Hand.«
    Carl verschränkte seine Hände auf dem Rücken. Er dachte gar nicht daran, sich zu entschuldigen.
    »Das ist nicht nötig«, schrie Natascha. »Wir gehen, sofort!« Dann versetzte sie Feodora eine schallende Ohrfeige. »Weißt du nicht, dass du auf deinen Bruder aufpassen sollst?« Sie war außer sich.
    »Nun nimm dich mal zusammen, Natascha!« Agathe hatte schützend die Arme um das zitternde Mädchen gelegt. »Es ist nichts Schlimmes passiert. Und wenn hier jemand eine Ohrfeige verdient hat, ist es mein Sohn, den du als Bauernlümmel bezeichnest.« Ihre Stimme war schneidend. »Ich glaube, es ist wirklich besser, wenn du gehst.«
    Mit Entsetzen hatten die anderen Gäste die peinliche Szene verfolgt.
    »Ich brauche jetzt einen Schnaps, trotz meines Zustandes«, stöhnte Agathe, als die Troyenfeld’sche Kutsche mit den heulenden Kindern abgefahren war. »Diese Frau ist wirklich nicht ganz bei Trost. Sie kann doch ihren Jungen nicht sein Leben lang in Watte packen. So was wie heute wird ihm bestimmt noch öfter passieren.«
    »Ihre Wut an dem armen Mädchen auszulassen ist ja wohl der Gipfel«, fand Antonia und drückte ihre Ida fest an sich.
    Und Marisa meinte: »Diese Frau muss sehr unglücklich sein. Warum bloß? Leopold und die Kinder können einem leidtun.«
    Ein paar Tage später wussten ganz Insterburg und Umgebung von dem Vorfall auf Weischkehmen, und man war sich einig, die »Russin« passte nicht hierher.
    Zwei Monate später starb Agathe Goelder bei der Geburt ihrer Tochter Clara. Trotz Leopolds Drängen ging Natascha nicht mit zur Beerdigung und ließ sich mit Unwohlsein entschuldigen, was ihr vor allem von den Frauen ein Leben lang übel genommen wurde.
    Gustav Goelder war untröstlich, und auf Weischkehmen fand für lange Zeit kein gesellschaftliches Leben mehr statt.
     
    Der Rhythmus der Jahreszeiten bestimmte das Leben in Ostpreußen, auf den Gütern wie auf den Schlössern, nicht nur gesellschaftlich, sondern auch kulinarisch. Lebensmittel wurden nicht eingekauft, man war autark. Die eigene Landwirtschaft versorgte die Küche mit allem, was man zum Leben brauchte. Der riesige Troyenfeld’sche Gemüse- und Obstgarten unterstand Herrn Brieske, der mit einer Schar von Helfern Erbsen, Kohl, Karotten, Gurken und Bohnenzog. Elfriede und ihre Küchenmädchen waren damit beschäftigt, das, was nicht sofort gegessen wurde, für den Winter einzumachen. Aus den Beeren kochte sie köstliche Marmeladen, die ganze Regale in ihrer Vorratskammer füllten. Äpfel wurden zu Saft gepresst und die besonders guten für den Winter eingelagert. Zweimal im Jahr wurde geschlachtet, und die unterirdischen Kühlkammern waren immer gefüllt mit Würsten,

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