Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Erwachsenen zusammen. Das ist nicht gut für das Kind.«
»Ja, ja, seit mein Fritzchen uff Gendarm lernt, is dat Armerchen janz alleene.« In dem Moment läutete die Glocke am Tor der hinteren Schlossmauer »Ik kiek mal schnell, wer dat is«, sagte Elfriede. »Bin jleich wieder da.« Kurz darauf kam sie zurück, vor ihr lief ein kleines Mädchen. Es sah ordentlich aus, trug ein sauberes geblümtes Kleid, auf dem Kopf einen mit Kornblumen besetzten Strohhut und unter dem Arm ein Bündel mit seinen Habseligkeiten. »Dat is Irma … wie heeßt man noch weiter?«
»Irma Kaldereit.«
»Und woher bist?«
»Aus Pillkallen.«
»Und wie alt bist?«, setzte die Mamsell ihr Verhör fort.
»Fast vierzehn.«
»Dat Marjellchen sucht ‘ne Stellung.« Elfriede sah Fräulein von Pulkendorf auffordernd an.
»Ja, und was soll ich da tun? Wir haben doch gerade …, nun, Sie kennen ja hier die Situation.«
Elfriede tat, als hätte sie die Worte der Gouvernante nicht gehört. »Nu setz dir erst mal«, sagte sie zu dem verängstigten Kind und stellte eine Tasse Milch und ein großes Stück Kuchen vor ihm auf den Tisch. »Nu iss mal, bist ja janz mickrich.«
Während Irma den Kuchen hinunterschlang, betrachtete Fräulein von Pulkendorf das junge Mädchen. Es hatte ein hübsches Gesicht mit einer kleinen Stupsnase, blonde, zu dicken Zöpfen geflochtene Haare und einen offenen Blick. Obwohl drei Jahre älter als Feodora, war Irma wesentlich kleiner. Richtig verhungert sieht es aus, das arme Ding‚ wahrscheinlich hat es nie genug zu essen bekommen , dachte sie.
Nachdem Irma den letzten Bissen hinuntergeschluckt hatte, fing sie an zu reden. »Ik such Arbeit. Mein Muttchen hat mir wegjeschickt. ›Bist jetzt alt jenug, für dir selbst zu sorgen‹, hat se jesacht.« Ihr Blick wurde flehend. »Bitte schicken Se mir nich weg. Ik brauch nur janz wenig zu essen und ‘ne Schlafstelle, jar keenen Lohn nich. Janz fleißig will ik sein. Ik kann kochen …«
»Dafür bin ik hier zuständig«, warf Elfriede ein.
»… nähen kann ik, stopfen, putzen, allet, wat ik zu Hause och jemacht hab. Ik bin die Älteste von dreizehn Jeschwistern …« Erschöpft hielt sie inne.
Frau Steinle hatte die letzten Worte gehört. »Eines der Dienstmädchen ist schwanger. Irma könnte Feodoras Zimmer und Sachen in Ordnung halten. Was meinen Sie, Fräulein von Pulkendorf, können wir ihr das auch zutrauen?«
»Eine wunderbare Idee!«
»Aber Lohn bekommst du vorerst noch nicht«, fuhr die Hausdame fort. Leopold hatte ihr gerade gesagt, dass das Personal erneut verringert werden müsse.
»Ik brauch doch nuscht nich.« Irma strahlte, und Elfriede flüsterte der Gouvernante zu: »Dat löst vielleicht ihr Problemchen. Und wenn se fleißig is, werd ik ihr ab und an ‘nen Dittchen zustecken.«
»Wer bist du denn?« Feodora war, erhitzt vom Ausritt mit ihrem Vater, in ihr Zimmer gestürzt, um sich für das Mittagessen umzuziehen.
Irma, die auf den Knien lag, um den Boden zu putzen, war aufgesprungen. »Irma, ik bin Irma, dat neue Dienstmädchen.« Sie knickste mit hochrotem Kopf.
»Du siehst ja ulkig aus.« Feodora betrachtete interessiert das kleine Mädchen, das ihr in dem gestreiften Kleid und der riesigen Schürze irgendwie verkleidet vorkam. »Die Sachen sind dir ja viel zu groß.«
»Frau Steinle sacht, ik wär noch en bisken mickrich, aber dat wird schon.«
»Was bist du, ›mickrich‹?« Feodora lachte laut auf. »Ich glaube, du bist einfach zu klein und zu dünn.« Während sie ihr Kleid aufknöpfte, fragte sie weiter: »Seit wann bist du denn auf Troyenfeld?«
»Seit heute Morgen.« Irma trat von einem Fuß auf den anderen. »Frau Steinle hat mir anjewiesen …«
In dem Moment kam die Hausdame herein. »Ach, ihr habt euch schon kennengelernt. Feodora, das ist Irma. Sie wird in Zukunft dein Zimmer und deine Sachen in Ordnung halten.« Dann wandte sie sich an Irma. »Das ist Feodora Komtess von Troyenfeld.«
Irma knickste erneut. »Weeß schon«, sagte sie.
»Na, nun mach dich nützlich«, rief die Hausdame streng. »Häng das Kleid auf, und bürste es aus. Die Schuhe müssen geputzt und der Schrank muss aufgeräumt werden.«
»Wo schläft Irma?«, fragte Feodora plötzlich.
»Im Gesinderaum bei den anderen Mädchen, wo sonst.«
»Ich möchte, dass sie hier schläft. Else hat auch bei mir geschlafen.«
»Ich weiß nicht, ob das den Herrschaften recht ist. Und wo soll sie überhaupt …?« Sie blickte sich suchend um.
»Ik kann auf dem
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