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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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oder?«,sagte Feodora lachend, und tatsächlich kam bald darauf eine Einladung nach Weischkehmen zur Eröffnung der jährlichen Jagdsaison: die erste seit langer Zeit.
    »Was meinst du, Natascha, sollten wir nicht annehmen? Die Goelder-Jungen sind in Fedas Alter, und auch wir könnten wieder einmal eine Abwechslung brauchen«, sagte Leopold beim Mittagessen.
    Feodora blickte ihre Mutter flehend an. »Bitte, Maman …« Sie drehte sich zu ihrem Vater. »Bitte, Papa, sag nicht ab. Vielleicht ist auch Ida Henkiel da, ich habe sie so schrecklich lange nicht mehr gesehen.«
    »Nun, was meinst du, Natascha?« Leopold blickte seine Frau fragend an.
    »Ich komme auf keinen Fall mit. Aber wenn ihr gehen wollt, bitte.« Sie machte eine kurze Pause. »Es ist ja ziemlich egal, wo du dich betrinkst.«
    Mit versteinerter Miene ließ Leopold sein Besteck sinken, während Feodora und Fräulein von Pulkendorf es nicht wagten, den Blick zu heben. Dann wischte er sich mit seiner riesigen Serviette den Mund ab und erhob sich. »Würdet ihr mich bitte entschuldigen, mir ist der Appetit vergangen. Ich werde gleich eine Note nach Weischkehmen schicken, dass Feodora und ich allein kommen, und das mit dem größten Vergnügen.«
    Fräulein von Pulkendorf vermeinte den Stein zu hören, der ihrem Schützling von der Seele fiel.
    Als sie in Weischkehmen ankamen, war Ida Henkiel zu Feodoras Enttäuschung nicht da. »Sie besucht eine Schule für höhere Töchter in Königsberg«, erzählte ihr Georg Goelder, worauf sein Bruder Carl meinte: »Die Arme, das ist sicher gruselig langweilig.«
    Aber bald war Idas Abwesenheit vergessen. Die Goelder-Jungen und ihre Freunde akzeptierten Feodora sofort aufgrund ihrer Reit- und Schießkünste, und auch in puncto Wildheit stand sie ihnen in nichts nach. »Du bist in Ordnung«, sagte Carl bereits am ersten Abend, und Feodora war so glücklich wie nie zuvor in ihrem Leben.
    Nach dem Abendessen wurde wie üblich getanzt, und Feodora flog von einem Arm in den anderen. Ein älterer Herr – er stellte sich als Heinrich von Harden vor – forderte sie mehrmals zum Tanzen auf.
    »Der olle Harden ist ja ganz wild auf dich«, neckten sie die Goelder-Brüder, aber Feodora dachte sich nichts dabei. Sie wollte tanzen, mit wem war ihr egal.
    Als sie abfuhren, musste ihr Vater den Goelders versprechen, mit seiner Tochter auch zur weihnachtlichen Hasenjagd zu kommen.
     
    Wieder einmal hatte der Winter das Land fest im Griff. Das Thermometer zeigte minus fünfundzwanzig Grad, an den Fenstern wuchsen dicke Eisblumen, die an manchen Tagen gar nicht abtauten, und meterhohe Schneewehen machten die täglichen Ausritte unmöglich. Schon am Mittag mussten die Lampen angezündet werden, und Feodora hatte beschlossen, sich die Zeit damit zu vertreiben, Irma das Rechnen beizubringen.
    »Findste wirklich, dass dat sein muss?«, fragte Irma ohne große Begeisterung.
    »Rechnen zu können kann niemandem schaden, auch dir nicht«, meinte darauf Feodora, und Irma wusste, wenn die sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, gab es keine Widerrede. Also wurden jeden Abend Zahlen geübt und zusammengerechnet, bis Irma der Kopf rauchte.
    Leopold war wieder nach Königsberg gefahren. Er hatte sich von Kurt mit dem Schlitten nach Insterburg bringen lassen und von dort den Zug genommen. Das bedeutete, dass mit seiner Rückkehr in den nächsten Tagen nicht zu rechnen war.
    Fräulein von Pulkendorf nahm zusammen mit Natascha den Nachmittagstee im kleinen Salon ein. Der Kamin strömte eine wohlige Wärme aus, und Elfriedes frisch gebackene Kekse verbreiteten einen köstlichen Duft.
    »Haben Sie Lust auf eine Partie Schach?« Fräulein von Pulkendorf blickte Natascha fragend an.
    In dem Moment klopfte Alfons und riss im gleichen Moment die Tür auf. »Sie haben Besuch«, rief er fröhlich. »Die Baronin von Harvich ist wieder da.«
    »Carla!« Ungewohnt herzlich ging Natascha ihrer Schwägerin mit ausgebreiteten Armen entgegen. »Seit wann bist zu zurück, ist etwas passiert? Wir haben keine Nachricht von dir bekommen?«
    »Ein Brief an euch ging mit dem Schiff vor mir ab. Er muss wohl verloren gegangen sein.« Jetzt erst erblickte Carla die Gouvernante, die sich still im Hintergrund gehalten hatte. »Und Sie müssen Julia sein. Wie schön, dass wir uns endlich persönlich kennenlernen.«
    Natascha sah sie erstaunt an.
    »Wir korrespondieren seit längerer Zeit«, sagte Carla. »Julia hat Elfriede das Schreiben abgenommen. Du weißt sicher, das ist

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