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Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
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jetzt hör mir mal gut zu.« Feodora biss in ein mit Pastete belegtes Brot. »Hör auf mit dem jnädijes Frollein und so … Wenn wir allein sind, kannst du Feda zu mir sagen.« Sie nahm eine zweite, dick mit Leberwurst bestrichene Scheibe. »Wenn andere Leute dabei sind« – und damit meinte sie vor allem ihre Eltern – »sag von mir aus Komtess Feodora. Meine Mutter legt Wert darauf, weißt du.«
    »Jern, jnädijes … Feda.« Irma war dieses Mädchen unheimlich. Es war so ganz anders, als ihre Mutter ihr die Menschen auf dem Schloss beschrieben hatte.
    »Warst du in der Schule?«, fragte Feodora.
    »Nee, mein Muttche hat jearbeitet, und ik hab mir um die Kinderchens jekümmert.«
    »Mein Freund Fritz, du weißt, der Sohn von Elfriede, war in der Schule. Er wird Gendarm.« Feodora machte ein Gesicht, als wäre das allein ihr Verdienst. »Warum isst du denn gar nichts?« Nun erst bemerkte sie, dass Irma noch keinen Bissen gegessen hatte.
    »Ik trau mir nich …«
    »Nun nimm schon.« Feodora reichte ihr ein Schinkenbrot, und langsam verlor Irma ihre Scheu. Sie langte kräftig zu, und bald war die Platte leer. Sie redeten und redeten und hörten auch nicht auf, als Feodora in ihrem Bett und Irmaauf der Bank neben dem Kachelofen lag. Es war seit Langem die erste Nacht, in der Feodora tief und traumlos durchschlief. Ein paar Tage später gab sie Frau Steinle Anweisung, ein zweites Bett in ihr Zimmer stellen zu lassen.
    Feodora las viel, und oft erzählte sie Irma abends Geschichten aus ihren Büchern. »Schade, Irmchen, dass du nicht lesen und schreiben kannst«, sagte sie eines Tages.
    »Find ik ooch, aber is ja nu man so.«
    »Was hälst du davon, wenn ich es dir beibringe?« Feodora war ganz aufgeregt. »Dann könntest du deiner Mutter mal einen Brief schreiben.«
    »Die kann ja ooch nich lesen.«
    »Egal.« Feodora ließ sich nicht so schnell von ihrer Idee abbringen. »Dann schreibst du halt mir mal.«
    Sofort holte sie Papier und Federhalter und begann, Irma die ersten Buchstaben des Alphabets beizubringen. Nach ein paar Monaten konnte Irma bereits ein paar Sätze schreiben.
    »Das heißt nicht ik, sondern ich«, dozierte Feodora. »Und ooch heißt auch.«
    Ganz allmählich lernte Irma, sehr zum Erstaunen von Fräulein von Pulkendorf und Elfriede, so zu sprechen, wie man schrieb. Aber immer wieder verfiel sie in ihren Dialekt, vor allem, wenn sie aufgeregt war. Aber den typischen Singsang der ostpreußischen Sprache, den verlor sie ihr Leben lang nicht.
     
    Schloss Troyenfeld verfiel immer mehr. Die beiden Seitenflügel waren schon lange geschlossen, Bilder und kostbare Möbel daraus verkauft, und der verbliebene unverkäufliche Rest begann langsam zu vermodern. Auch aus dem bewohnten Mittelteil des Schlosses verschwanden nach und nachUhren, Spiegel, Teppiche und wertvolle Gemälde. Der einstmals so gepflegte Park verwilderte. Die früher zu kunstvollen Figuren gestutzten Buchsbäumchen wucherten in alle Himmelsrichtungen, und die großen Rasenflächen waren von Unkraut bewachsen, das bereits begann, sich auf den Wegen auszubreiten. Es gab keine Gärtner mehr, und auch das übrige Personal war bis auf wenige alt Gediente entlassen. Herr Kochta, der Haushofmeister, hatte sich schon vor zwei Jahren verabschiedet. Er war einer Kündigung zuvorgekommen und hatte eine Stellung auf Schloss Trachtenburg in Allenstein angenommen. Auch Frau Steinle hatte gekündigt, nur Fräulein von Pulkendorf, Alfons, Elfriede und Irma hielten noch die Stellung, unterstützt von einigen Mägden des zum Schloss gehörenden Gutes. Dank der guten Ernten und des tüchtigen Gutsverwalters, Herrn Schindler, gab es immer reichlich zu essen, und vom Verkauf von Milch, Fleisch, Eiern und Getreide konnten die wenigen Löhne bezahlt werden.
    Die Einzige, die sich in dieser Zeit keine großen Sorgen machte, war Feodora. Sie kannte nur einen Kummer: den seelischen und körperlichen Verfall ihres Vaters. Sie musste hilflos mit ansehen, wie der einstmals so schöne Mann mehr und mehr dem Alkohol verfiel. Schon längst ritt sie allein aus, war stundenlang mit ihrem Wallach unterwegs, und schießen konnte sie bald wie ein Mann. Herbert, einer der Jäger hatte es ihr beigebracht, zum Entsetzen von Fräulein von Pulkendorf. »Das ist doch nun wirklich nichts für eine junge Dame«, meinte sie. »Und das willst du doch schließlich einmal werden.«
    »Aber ich will auf die Jagd gehen, und dazu muss man schießen können, Julchen. Das siehst du doch ein,

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