Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)

Titel: Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Schulze-Lackner
Vom Netzwerk:
Appetitlosigkeit, ihre tizianroten Locken verloren ihren Glanz, und sie sah blass und elend aus. Sie war in sich gekehrt, sprach nur, wenn man das Wort an sie richtete, und saß stundenlang an Rüdigers Grab. Es war zweifelsohne allein das Verdienst der Gouvernante, dass Feodora nach einigen Monaten wieder zu dem fröhlichen Kind wurde, das sie früher einmal war.
    Wenn Fräulein von Pulkendorf von den Besuchen bei ihrer Mutter aus Königsberg zurückkam, berichtete sie von Theater- und Opernerlebnissen, spielte Feodora auf dem Klavier die gerade gehörten Arien vor und erklärte ihr das Libretto. Sie erzählte ihr von Mozart, dem Wunderkind, das bereits in jungen Jahren so herrliche Musik geschrieben hatte, und von seinem traurigen, viel zu frühen Tod in bitterer Armut. Wenn sie vierhändig am Klavier Sonaten von Beethoven spielten, erfuhr Feodora, dass der Meister diese geschrieben hatte, als er taub und nicht mehr fähig war, sie selbst zu hören. All das faszinierte sie, und dann berichtete sie ihrem Vater, was sie wieder Aufregendes gelernt hatte.
    Sie liebte ihn innig. Ihre Bemühungen, ihrer Mutter zu gefallen, hatte sie aufgegeben. Ihr Verhältnis zueinander war distanziert, kühl, aber nicht unfreundlich. Man nahm gemeinsam die Mahlzeiten ein, machte höflich Konversation, und dann ging jeder seiner Wege. Feodora hatte begriffen, dass ihre Mutter sie nicht liebte, und sich, wenigstens nach außen hin, damit abgefunden. Fräulein von Pulkendorf tat alles, um ihr die Mutter zu ersetzen, und Leopold war ihr dafür unendlich dankbar.
    Immer seltener kamen Gäste in das früher so belebte Schloss. Die freudlose Atmosphäre des Hauses und Nataschasmürrische Art, wenn Freunde vorbeikamen, ließen auch die, die sonst tage- oder wochenlang geblieben waren, schnell wieder abreisen. Und bald kam niemand mehr. Auch Einladungen zu Gesellschaften und Jagden lehnte Natascha ab und erwartete von Leopold, dass auch er nicht hinging.
    Dem früher so geselligen und fröhlichen Mann schien alle Energie und Freude abhandengekommen zu sein. Er begann wieder zu trinken und zu spielen. Immer öfter fuhr er nach Königsberg, von wo er erst Tage später mit rotgeränderten Augen zurückkam, nervös und gereizt, dass sogar Feodora ihm aus dem Weg ging. Wenn er bereits am Tag zu viel trank, stand Natascha, die seit Rüdigers Tod immer ganz in Schwarz gekleidet war, auf und verschwand wortlos mit ihrem Stickrahmen bis zum nächsten Tag in ihrem Boudoir. Schleichend nahm das Unglück seinen Lauf.
    Von all dem erfuhr Carla im fernen Neuseeland wenig. Sie korrespondierte zwar regelmäßig mit ihrem Bruder und mit Fräulein von Pulkendorf, aber keiner wagte ihr die ganze Wahrheit zu schreiben. »Et regt ihr nur uff, und tun kann se nuscht nich!«, hatte Elfriede gesagt, wofür die Gouvernante volles Verständnis hatte.
     
    Zwei Jahre waren seit dem Tod von Rüdiger vergangen. Fräulein von Pulkendorf saß bei Elfriede in der Küche. »Wie soll das bloß weitergehen?«, fragte sie unglücklich. »Wie wird das nur alles enden?«
    Alfons hatte mal wieder gelauscht und alles sofort an Elfriede weitergegeben: An diesem Morgen war Horst Kölichen unerwartet auf Troyenfeld erschienen. Er schien äußerst erregt und bemerkte nicht, dass Alfons die Tür der Bibliothek hinter ihm nicht ganz schloss. »Ich muss ernsthaftmit dir reden, Leopold«, hatte er gesagt. »Deine Spielleidenschaft wird euch bald ruinieren.«
    »Nun übertreib man nicht, alter Freund. Du weißt doch, wie das ist. Mal verliert und mal gewinnt man.«
    »Du scheinst jedenfalls öfter zu verlieren.« Die Stimme Kölichens war lauter geworden. »Es kursieren Schuldscheine von dir in Königsberg über erhebliche Summen. Wie willst du die jemals einlösen?« Er hatte kurz geschwiegen und dann gesagt: »Ich als dein väterlicher Freund und Vermögensberater fühle mich verpflichtet, dich zu warnen. Wie willst du das Schloss mit all seinen Bediensteten, die bei dir in Lohn und Brot stehen, erhalten, wenn du nur noch Schulden hast, und was ist mit der Mitgift für Feodora?« Dann hatte er offensichtlich die offene Tür bemerkt, sie geschlossen, und Alfons konnte nur noch bruchstückhaft verstehen, dass über den Verkauf eines größeren Stück Landes gesprochen wurde.
    Auf Alfons’ Bericht hin hatte Elfriede mehrmals »Errbarrmunk« gerufen und schon drei Gläser Likör geleert.
    »Ich habe noch eine andere Sorge«, sagte Fräulein von Pulkendorf betrübt. »Feodora ist nur noch mit

Weitere Kostenlose Bücher