Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
erschießen würde, verschwieg sie Leopold.
In Feodoras Zimmer war Irma damit beschäftigt, deren Koffer auszupacken. »Ach Fedachen, wie siehst du denn aus?«, rief sie erschrocken. »Wat für ‘ne Laus is dir denn über die Leber jelaufen?«
»Ich soll heiraten, Irmchen. Einen schrecklichen alten Mann. Es ist ja so furchtbar …« Sie begann zu weinen. »Meine Eltern haben mich verschachert! Regelrecht verkauft haben sie mich.«
»Um Jottet willen, an wen denn?«
»An einen Baron von Harden. Ich kenne ihn nur flüchtig. Er ist ganz alt …«
»Erbarmung«, rief Irma entsetzt, »dat is doch der Olle, von dem ik dir jeschrieben hab, der so oft hier war in der letzten Zeit. Du weißt doch, nach seinen Besuchen war dieJräfin immer so fröhlich, erinnerste dir nich?« Irma begann die Kleider, die sie gerade aufgehängt hatte, wieder in den Koffer zu packen. »Weßte wat, wir haun ab«, sagte sie entschlossen. »Wir jehen nach Buchenhain, deiner Tante Carla wird schon wat einfallen. Sowat wird die doch nich zulassen!« Sie war außer sich.
»Lass man, Irmchen.« Feodora hatte aufgehört zu weinen. »Du bist wirklich lieb. Aber es gibt Gründe für mich, diesen Mann zu heiraten.« Weder Irma noch jemand anderem gegenüber erwähnte sie, dass sie nur aus Angst um das Leben ihres Vaters einwilligen würde.
Zum Abendessen erschien Feodora nicht. Sie ließ ihren Eltern von Alfons ausrichten, dass sie unpässlich sei und am nächsten Tag mit ihnen sprechen würde.
Am Morgen saß sie bereits am Frühstückstisch, als Natascha und Leopold erschienen. Man sah Feodora an, dass sie die ganze Nacht nicht geschlafen hatte. Bleich und übernächtigt sah sie aus, und alle Fröhlichkeit schien von ihr gewichen.
»Guten Morgen, mein Liebling.« Leopold versuchte, seiner Tochter einen Kuss zu geben, aber sie drehte ihren Kopf zur Seite, sodass er nur ihr Haar streifte.
Nachdem der Diener den Kaffee eingegossen und sich wieder an der Anrichte aufgestellt hatte, sagte Feodora: »Bitte lass uns für einen Moment allein, Alfons. Ich habe etwas mit meinen Eltern zu besprechen.«
Leise schloss Alfons die Tür hinter sich. Es herrschte ein bedrücktes Schweigen.
»Ihr habt also beschlossen, mich zu verkaufen«, unterbrach Feodora die unheilvolle Stille. »Das ist wirklich reizend von euch!«
»Feda, Liebling …«, stammelte ihr Vater. »Versteh doch …«
»Nein, ich verstehe gar nichts. Ich weiß nur, dass ich einen alten Mann heiraten soll, damit ihr nicht im Schuldenturm landet.«
Ihr Vater wagte nicht, ihr in die Augen zu sehen.
»Nun, es gibt schwerere Schicksalsschläge, als einen reichen Mann zu heiraten.« Natascha bestrich sich ungerührt eine Scheibe Toast mit Butter. »Ehen werden nun mal nicht im Himmel geschlossen.«
»Die fehlende Mitgift hat mich hoffen lassen, dass ich gar nicht heiraten muss. Dieser Wunsch dürfte euch doch wohl nicht entgangen sein.« Feodora lächelte sarkastisch. »Aber bei mir scheinen ja die bescheidensten Wünsche nicht in Erfüllung zu gehen.«
Für eine Weile sprach keiner. Nur das Klappern des Geschirrs durchdrang ab und zu die Stille.
»Also«, unterbrach Feodora das Schweigen, »ich werde diesen Herrn von Harden heiraten. Aber erwartet nicht von mir, dass ich die glückliche Braut spiele.«
Natascha atmete erleichtert auf. »Wie schön, dass du so einsichtig bist.« Sie hatte wesentlich mehr Widerstand erwartet.
»Nun, an meine Einsicht, wie du es nennst, sind Bedingungen geknüpft. Wenn ihr euch nicht daran haltet, werde ich mich einer Vermählung verweigern. Habt ihr das verstanden?«
Ihre Eltern nickten stumm. Diesen Ton waren sie von ihrer Tochter nicht gewohnt.
»Also, ich will die Trauung hier auf dem Schloss im kleinsten Kreis. Nicht einmal Tante Carla und Julchen willich dabeihaben, wenn ich zur Schlachtbank geführt werde! Irma soll meine Trauzeugin sein …«
»Wer, dein Dienstmädchen …?« Natascha blickte ihre Tochter entgeistert an.
»Ja, genau dieses! Außerdem will ich sie als Zofe mit in mein neues Zuhause nehmen, wo immer das ist.«
»In Masuren. Der Besitz des Barons ist außergewöhnlich …«
Feodora unterbrach ihre Mutter schroff. »Und noch etwas. Die Hochzeitsanzeigen werden erst nach der Trauung verschickt. Ich will von niemandem Glückwünsche entgegennehmen müssen.«
»Ja, willst du denn nicht wenigstens das Diadem tragen, das dir dein Großvater vermacht hat? Es liegt seit Jahren im Safe der Bank …?«
»Ein Witwenschleier wäre wohl
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