Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
nach.«
Feodora traute ihren Augen nicht. Der Schrank war gefüllt mit Kleidern für jede Gelegenheit. Abendroben von erlesener Schönheit, leichte Sommerkleider aus zarten Stoffen, dazu passende Schuhe, Handtaschen und Sonnenschirme, Reit- und Badekostüme und zart bestickte Negligés, alles farblich aufeinander abgestimmt. Noch nie hatte sie Derartiges gesehen, nicht einmal im Kleiderschrank ihrer Mutter. »Das ist ja fantastisch!«, rief Feodora. »Wie hast du das gemacht?«
Heinrich lächelte. »Ich gebe zu, ich hatte ein wenig Hilfe.«
»Und du glaubst, das passt mir alles?«
»Das will ich doch hoffen. Auf jeden Fall wird es dich noch schöner machen, wenn das überhaupt möglich ist.«
»Danke, Heinrich«, sagte Feodora leise. Es war das erste Mal, dass sie ihrem Ehemann freiwillig einen Kuss auf die Wange gab.
Die Ankleidehilfe war ein schüchternes junges Mädchen, ungefähr in Feodoras Alter. Sie war klein und rundlich mit einem rotbackigen Gesicht und offenen, freundlichen Augen. »Ich bin Erna«, stellte sie sich mit einem Knicks vor, »und soll der Frau Baronin zu Diensten sein. Frau Baronin können mich rufen, wann immer Sie wollen.« Verlegen, mit niedergeschlagenen Augen und ihre Hände reibend, stand sie da.
»Was ist, Erna?«, fragte Feodora.
»Frau Baronin sind so jung … und so hübsch …« Feodora musste lachen. »Was hast du denn erwartet?«
»Nu ja … ich weiß nicht …«
»Schön, Erna, dann wollen wir mal sehen, ob mir davon etwas passt«, versuchte Feodora die Situation zu retten.
Erna sah sie erstaunt an.
»Ich sehe die Sachen heute zum ersten Mal«, erklärte ihr Feodora. »Sie sind ein Geschenk meines Mannes.«
»Ich weiß, Frau Baronin sind auf der Hochzeitsreise.«
Täuschte sich Feodora, oder hörte sie da etwas wie Mitleid heraus?
»Die Kleider sind so wunderschön«, plapperte das Mädchen nun drauflos, plötzlich schien es alle Scheu verloren zu haben. »Ich durfte sie auspacken und aufbügeln und habe mich die ganze Zeit gefragt, wer das wohl tragen wird, all die wunderschönen Kleider.« Sie strahlte Feodora an. »Dass das eine so schöne Frau sein wird, hätt ich nie geglaubt.«
Wieder musste Feodora lachen. »Nun übertreib mal nicht. So schön bin ich nun wirklich nicht.«
»Doch, doch, Frau Baronin sehen in allem ganz wunderbar aus.«
Alles passte tatsächlich wie angegossen. Mit Ernas Hilfe wählte Feodora für den Abend ein resedafarbenes, trägerlosesTaftkleid. Die Korsage und der enge, nach hinten geraffte Rock passten perfekt. Auf der Tournüre saß eine große Schleife, deren breite Enden eine lange Schleppe bildeten. Hohe Satinpumps und bis über die Ellbogen reichende Glacéhandschuhe machten das Ganze perfekt.
»Darf ich die Frau Baronin ein wenig frisieren«, fragte das Mädchen schüchtern. Es schien überwältigt von Feodoras Anblick. »Eine Hochfrisur vielleicht … Ich bin ganz geschickt darin.«
»Wenn du meinst.« Feodoras Laune hatte sich, seit Erna so begeistert um sie herumhüpfte, merklich gebessert. Für kurze Zeit vergaß sie, dass im Nebenraum ein alter Mann auf sie wartete, dem sie für den Rest ihres Lebens ausgeliefert war. »Ich werde mir dabei die Nase pudern.«
Mit ein paar Handgriffen zauberte das Mädchen ihr eine Frisur, dass sie sich selbst kaum wiedererkannte.
»Du bist wirklich eine Künstlerin, Erna«, sagte Feodora erstaunt. Plötzlich kam ihr zu Bewusstsein, dass sie über keinen Pfennig eigenes Geld verfügte. »Ich werde meinen Mann bitten, dich fürstlich zu entlohnen.«
Ernas Gesicht lief rot an. »Nicht nötig, Frau Baronin. Es war mir wirklich eine Freude.« Strahlend und mit einem Knicks verabschiedete sie sich.
Feodora lächelte. »Ich werde dich sicher noch öfter brauchen. Wir beabsichtigen, drei Wochen zu bleiben.«
Als sie die Suite betrat, stand ihr Mann, bekleidet mit einem Smoking, am Fenster und blickte auf das durch das Licht der tief stehenden Sonne glitzernde Meer. In der Hand hielt er ein Glas Champagner. Da war sie wieder, die Angst, was wohl die Zukunft und vor allem dieser erste Abend bringen würden. Ihre Hochzeitsnacht! Eine Welle derFurcht stieg in Feodora auf, schnürte ihr die Kehle zu. Doch dann sagte sie leise: »Ich bin fertig, Heinrich. Wir können gehen.«
Langsam drehte Heinrich sich um. Was er sah, verschlug ihm den Atem. »Mein Gott, du siehst ja umwerfend aus.« Er stellte sein Glas ab und griff nach einem großen weinroten Lederetui, das neben ihm auf einem Tisch lag.
Weitere Kostenlose Bücher