Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Hochzeitsreise eintreffen würde. Heinrich von Harden hatte nachgefragt, wohin sie zu reisen gedenke, jeder Wunsch wäre für ihn Befehl, und Feodora hatte gebeten, nach Zoppot zu fahren. »Ida ist mit ihren Eltern dort, das wird mir helfen, die erste Zeit zu überstehen«, hatte sie zu Carla und Julia gesagt. Ida war die Einzige, der sie offen ihr Leid klagte. Gleich am ersten Tag hatte sie ihr geschrieben.
»Meine geliebte Ida, all unsere wunderbaren Pläne wurden von einer Sekunde zur anderen zerstört. Man hat mich verschachert, regelrecht verkauft! Ich muss heiraten, einen alten Mann! Damit meine Eltern in ihrem Schloss bleiben können. Kannst Du Dir das vorstellen? Ich bin verzweifelt, aber es gibt keinen Ausweg. Schreib mir nach Buchenhain, bis zu meiner Hochzeit bin ich hier. Ich kann die Gegenwart meiner Elternnicht mehr ertragen. Ich umarme Dich, deine unglückliche Feda. «
Zwei Wochen später fand die Trauung statt. Weder Feodoras Eltern noch ihr Bräutigam hatten sich ihren Wünschen widersetzt. Auch Carla und Julia fügten sich. Carla wusste, dass Töchter den Eltern gehorchen mussten, so war sie erzogen worden, und Julia hatte am eigenen Leib erfahren, was eine Frau erwartete, wenn man es nicht tat. Ihr anfängliches Entsetzen über diese Heirat hatte sich in Bewunderung gewandelt für das »Kind«, wie sie Feodora nannten, wenn sie unter sich waren.
Nach ein paar Tagen der Verzweiflung lamentierte Feodora nicht mehr. Sie hatte sich in ihr Schicksal gefügt. Leopold war einmal nach Buchenhain gekommen, um sie zu besuchen, aber sie hatte ihn nicht empfangen. »Ich will ihn nicht sehen!«, ließ sie ihm ausrichten, und auch Carla und Julia gaben dem Diener Anweisung zu sagen, dass sie außer Haus seien.
Der Abschied von Buchenhain war tränenreich. »Du armes Kind, nimm es nicht so schwer«, sagte Carla schluchzend. »Und wenn du es gar nicht aushältst, komm nach Buchenhain. Du weißt, hier bist du immer willkommen.«
»Danke, Tante Carla, ich weiß.« Aber Feodora wusste auch, dass eine Flucht niemals möglich sein würde. »Ich möchte, dass ihr mich so oft wie möglich auf Gut Eichen besucht, du und Julchen.«
»Aber natürlich. Und deine Eltern werden bestimmt auch …«
»Meine Eltern«, unterbrach Feodora sie mit tonloser Stimme, »will ich nie wiedersehen.«
»Aber Feda, Kind …« Carla sah sie entsetzt an. »Dein Vater …«
»Weder ihn noch meine Mutter! Ich habe es ihnen bereits gesagt, und sie würden gut daran tun, das zu beherzigen.«
Für das Ehepaar von Harden war im Grand Hotel in Zoppot eine Suite reserviert. Kurz vor ihrer Abreise hatte Harden Feodora mitteilen lassen, sie möge ohne Gepäck reisen, das Nötigste sei bereits vorhanden.
»Was meint er denn damit?«, hatte Feodora verwundert gefragt. »Will er mich auf dem Zimmer gefangen halten?« Aber eigentlich war es ihr egal gewesen. Was auch immer er mit ihr vorhatte, sie wusste, sie würde es ertragen müssen.
Am frühen Abend kamen sie in Zoppot an. Während der ganzen Fahrt hatten sie kaum miteinander gesprochen. Ein paarmal hatte er ihre Hand an seine Lippen geführt und gesagt: »Du bist wunderschön, meine kleine Frau. Dass du mich erhört hast, macht mich zum glücklichsten Mann der Welt.«
Feodora hatte nicht darauf geantwortet. Was hätte sie auch sagen sollen? Dass sie verzweifelt war, am liebsten wegrennen würde?
Der riesige Salon ihrer Suite war ein Blumenmeer. Schalen mit frischem Obst und Konfekt sowie eine Flasche eisgekühlter Champagner standen zur Begrüßung bereit.
»Das Hotel wünscht dem Herrn Baron und der Frau Baronin einen angenehmen Aufenthalt«, sagte der beflissene Empfangschef. »Der Tisch im Speisesaal ist für acht Uhr reserviert. Am Fenster, mit Meerblick, wie der Herr Baron bestellt hat.«
»Danke«, sagte Heinrich von Harden. »Bitte schicken Sie in einer halben Stunde jemanden, der meiner Frau beim Ankleiden behilflich ist.«
»Selbstverständlich. Das Fräulein Erna steht Ihnen jederzeit zur Verfügung.«
Nachdem der Empfangschef mit einem offensichtlich dicken Trinkgeld und unzähligen Verbeugungen die Suite verlassen hatte, fragte Feodora verwundert: »Wieso soll mir jemand beim Anziehen helfen? Ich habe doch gar nichts dabei.«
Ihr Mann hatte zwei Gläser mit Champagner gefüllt. »Ich habe eine kleine Überraschung für dich«, sagte er und stieß mit ihr an. »Ich hoffe sehr, dass ich deinen Geschmack getroffen habe. Geh in das Ankleidezimmer, und sieh mal
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