Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
von Witzleben. »Nicht nur Frauen, auch Männer müssen manchmal Vernunftehen eingehen.«
»Na, dann pass du mal auf, dass dir das nicht passiert«, rief Friedrich Klops.
Nicht einmal Georg bemerkte, wie sich ein Schatten auf Edgars Gesicht legte.
»Kommt, lasst uns darauf trinken, dass uns so ein Schicksal erspart bleibt«, rief ein anderer, und man prostete sich laut lachend zu.
Feodora rührte im Gegensatz zu ihrem Mann das Essen kaum an. Umso mehr sprach sie den Weinen zu. Die Wirkung ließ nicht lange auf sich warten. Nach einer Weile störte es sie nicht mehr, dass Heinrich heftig schwitzte und sich immer häufiger Gesicht und Glatze mit der Serviette abwischte. Auch er trank viel, redete ununterbrochen und schien kaum zu merken, dass sie außer »Darf ich noch einen Schluck Wein haben?« kaum etwas sagte.
»Gern, Liebes, lass es dir schmecken«, sagte er dann fröhlich und goss ihr eigenhändig nach. Dann sprach er weiter, wie glücklich er sich schätze, sein zukünftiges Leben mit ihr auf Gut Eichen zu verbringen, wie schön es dort sei und dass es ihr sicher gut gefallen werde.
Im benachbarten Ballsaal spielte bereits die Kapelle einen langsamen Walzer, und der Speisesaal begann sich zu leeren.
»Möchtest du tanzen, Liebes?« Heinrich legte seine große, behaarte Hand auf Feodoras Arm.
»Tanzen? Oh nein!« Sie kicherte albern. »Mir ist ein wenig schwindelig. Der Wein …« Sie bekam plötzlich einen Schluckauf. »Es war wohl doch … hicks … ein bisschen viel … hicks.«
»Vielleicht sollten wir nach oben gehen.« Heinrich erhob sich. Auch er schwankte leicht. »Komm, ich helfe dir.«
Das, was danach passierte, nahm Feodora kaum wahr. Ihr war übel, alles drehte sich. Sie spürte, wie ein schwerer, schwitzender Körper sich keuchend auf sie wälzte und unverständliche Worte stammelte. Eine feuchte Zunge presste sich auf ihre Lippen, während eine Hand zwischen ihre Beine fuhr und sie auseinanderdrückte. Sie spürte einen kurzen, heftigen Schmerz, als etwas Hartes in sie eindrang. Nach ein paar heftigen Stößen hörte das Stöhnen auf, der Körper rollte zur Seite, und kurz darauf ertönte lautes Schnarchen. Ihr Mann schlief! Wie ein böser, unwirklicher Spuk erschien Feodora das Ganze. Sie fühlte sich erniedrigt und hilflos. Das war also meine Hochzeitsnacht , dachte sie zynisch, die Nacht, in der man das größte Glück erleben sollte. Das stand jedenfalls in den Liebesromanen, die sie heimlich nachts verschlungen hatte. Am nächsten Morgen entdeckte sie einen blutigen Fleck auf dem weißen Laken.
Die ersten drei Wochen als verheiratete Frau waren trotz der schrecklichen Nächte für Feodora die schönsten in ihrer ganzen Ehe. Noch lange sollte sie davon zehren. Sie war nicht glücklich, aber auch nicht richtig unglücklich. Sie genoss die bewundernden Blicke, die sie überall, wo sie auftauchte, trafen, ob an der Seite ihres Mannes oder in der Clique von Idas Freunden. Anfänglich tuschelte man noch über das ungleiche Paar, aber nach ein paar Tagen hörte das auf.
»Wenn nur die Nächte nicht wären«, klagte sie Ida ihr Leid. »Es ist einfach entsetzlich!« Nicht einmal ihrer besten Freundin erzählte sie Details von dem, was sie jede Nacht durchmachte. Sie brachte es einfach nicht über die Lippen, ihr zu sagen, wie wütend er wurde, wenn sein Glied schlaff blieb, und zu welch widerlichen Dingen er sie zwang, um Befriedigung zu erlangen. Sie fühlte nur Ekel, und wenn er endlich neben ihr eingeschlafen war, hatte sie den Drang, allen Schmutz von sich abzuwaschen. Danach saß sie stundenlang auf dem Hotel-Balkon, blickte auf das vom Mond beschienene Meer und wurde langsam wieder ruhiger. Niemand außer Ida kannte den wahren Grund, warum sie am Morgen bleich, mit dunklen Augenringen zum Frühstück erschien. Alle, auch Idas Eltern, hielten sie für eine Frau, die das große Los gezogen hatte.
Die Tage dagegen verliefen harmonisch. Heinrich war höflich und zuvorkommend, verschonte sie mit Zärtlichkeiten in der Öffentlichkeit und überschüttete sie mit Geschenken. Er hatte nichts dagegen, wenn sie mit Ida lange Strandspaziergänge machte oder im Meer badete. Einmal hatte auch er sich in sein Badekostüm gezwängt und war von einigen kleinen Kindern, die am Strand ihre Burgen bauten, so verspottet worden, dass er das in Zukunft unterließ und lieber mit Idas Eltern oder Bekannten unter einem Sonnenschirm Whist oder Schach spielte. Wenn Feodora mit Idas Freunden Tennis spielte, war
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