Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
denn man Prosterchen, Irma. Vielleicht klappt et ja bei deiner Jnädijen.«
Ludolf war dazugekommen. »Der Baron will unbedingt einen Erben. Immer wieder hat er das beim Kartenspielen mit seinen Freunden gesagt.«
Jetzt mischte sich Käthe wieder ein. »›Meine Braut ist achtzehn und aus edlem Geblüt‹, hat er jesacht. ›Die Mutter is eine russische Fürstin und der Vater der Erbgraf von Troyenfeld.‹«
»›Abgekauft habe ich sie ihren Eltern‹, hat er gesagt. Weißt du was darüber?«, fragte Ludolf neugierig.
Irma ließ sich ihr Entsetzen nicht anmerken. Wie konnte dieser Baron mit so etwas nur prahlen. »Nee, ik weeß nuscht nix. So jut kenne ik dat Komtesschen nich …«, stotterte sie. »Ach nee … Nu isse ja die Frau Baronin. Nuscht jenauetweeß ik nich. Aber eens weeß ik, rumkommandieren von der Kastner lässt die sich nich!«
Bald wusste Irma alles, was in diesem Haus vorgefallen war: über die vielen Gäste, die oft wochenlang das Haus bevölkerten und die ehemalige, ebenfalls blutjunge Baronin als Gastgeberin ständig überforderten; über die Nächte, in denen sie ihre ehelichen Pflichten erfüllen musste, was sie, für alle erkennbar, nur unter Qualen ertrug.
»Und dann war se endlich schwanger.« Käthe schlug die Augen gen Himmel. »Erbarmerche! Jenau zweieinhalb Monate hat et jedauert, dann hatte se ‘ne Fehljeburt. Der Baron hat jetobt, kann ik dir sagen! Schuld wär nur sie, mehr schonen hätt se ihr sollen. Am nächsten Tag hab’n se ihr aus dem See jefischt, dat Armerchen!«
»Schrecklich war das, wirklich.« Ludolf schüttelte traurig den Kopf. »Hoffentlich muss ich so etwas nie mehr erleben.«
All das erfuhr Feodora nach und nach von Irma.
Es war ein warmer Spätsommertag, als Feodora in ihrem neuen Zuhause ankam. Vor der großen Freitreppe hatten sich die Bediensteten streng nach der Wichtigkeit ihres Berufsstandes aufgereiht, um die neue Hausherrin zu begrüßen. An der Spitze stand der Verwalter, Herr Hintz, daneben die Hausdame, Fräulein Kastner, eine energisch aussehende Frau mittleren Alters, ganz in Schwarz gekleidet. Feodora sollte sie auch später nie in einer anderen Farbe sehen. Dann kam schon Irma, die als ihre Zofe in der Hierarchie ganz oben stand. Es folgten mehrere Diener in gestreiften Westen, deren Namen sie sich schon nicht mehr merken konnte, die Mamsell und eine Schar in rosafarbene Kleider gewandete Stubenmädchen.
Irma hatte sie genau wie all die anderen mit »Willkommen, Frau Baronin« begrüßt, und Feodora sagte nur: »Guten Tag, Irma. Es ist schön, ein bekanntes Gesicht zu sehen.« Sie hatten vorher ausgemacht, dass niemand wissen musste, wie vertraut sie miteinander waren.
Als sie die sich verbeugende und knicksende Gruppe abgeschritten hatte, sagte Heinrich: »Nun, Liebes, Irma wird dir jetzt erst einmal dein neues Reich zeigen. Wenn du dich umgekleidet hast, werde ich dich ein wenig herumführen.« Er tätschelte einem großen braunen Labrador, der ihn stürmisch begrüßt hatte, zärtlich den Kopf. »Ja, Rex, mein Lieber, du darfst auch mit.«
»Wir reden später«, hatte Irma ihr zugeflüstert, nachdem sie sie zu ihrem Boudoir geführt hatte. »Hier haben die Wände Ohren.«
Heinrich hatte nicht übertrieben. Gut Eichen war tatsächlich ein traumhafter Besitz. Umgeben von einer wunderschönen Landschaft lag das Herrenhaus in einem gepflegten Park, dessen weiße Kieswege durch das leicht abfallende Gelände direkt in einen großen See zu münden schienen. Etwa hundert Meter vom Ufer entfernt befand sich eine kleine Insel, auf der eine Vielzahl seltener Vögel lebte. Schwäne zogen ruhig ihre Bahnen, und hin und wieder stoben, aufgescheucht von Heinrichs Hund, Schwärme von Wildenten aus dem hohen Schilf am Ufer, um sich an einem sicheren Ort wieder niederzulassen. Eingerahmt war der Park von jahrhundertealten Eichen, die dem Besitz vor langer Zeit seinen Namen gegeben hatten. Seitlich des Herrenhauses, im Schatten eines dieser gewaltigen Bäume, lag ein Tennisplatz. Auch ein großer Gutshof gehörte zu dem Anwesen, der – wie alle großen ostpreußischen Besitze – die Bewohner autark machte.Hinter riesigen Scheunen lagen weiß eingezäunte Pferdekoppeln, auf denen Stuten mit ihren Fohlen tobten.
»Ich züchte ein wenig«, erklärte Heinrich Feodora, während sie an einer der Koppeln standen. »Nur zu meinem Vergnügen. Ich besitze fünfzehn Mutterstuten und sechs Beschäler. Alles prämierte Tiere.«
Von jeder der Stuten kannte er den
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