Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
haben leider abgesagt. Ihr Sohn Hajo geht morgen nach Indien. Er wird wohl sehr lange dort bleiben.« Dann erwähnte er Namen, die sie nicht kannte. Nur bei Witzleben stutzte sie. Wo hatte sie diesen Namen bloß kürzlich gehört? »Zu meinem Bedauern haben deine lieben Eltern auch abgesagt.« Feodoras Herz machte einen Sprung. »Sie sind leider verhindert. Deine Mutter fühlt sich nicht wohl, und dein Vater ist unabkömmlich wegen der Renovierungsarbeiten am Schloss.«
»Ach, das tut mir aber wirklich leid«, log Feodora.
Während des Abendessens wurde ihr endgültig klar, dass sie nunmehr in seinen Besitz übergegangen war.
»Um den Haushalt musst du dich nicht kümmern. Dem steht Fräulein Kastner vor. Sie macht das nun schon seit Jahren zu meiner vollsten Zufriedenheit. Daran wollen wir doch nichts ändern, oder?«
Feodora schwieg.
»Verreisen kannst du nur mit mir …«
»Aber ich werde doch wohl mal zu Ida nach Klein Darkehmen …«
»Allein auf keinen Fall. Ida kann dich ja jederzeit hier auf Gut Eichen besuchen, genau wie deine Familie.« Er nahm einen Schluck Wein. »Ich werde öfter unterwegs sein. Ich besitze mehrere Tuchfabriken, die ich von Zeit zu Zeit inspizieren muss. Auch dann wünsche ich nicht, dass du über Nacht das Haus verlässt.«
»Und ausreiten darf ich wahrscheinlich auch nur mit einem menschlichen Wachhund?!« Der Spott in ihrer Stimme war nicht zu überhören.
»Nun, du tust ja gerade so, als wärest du hier in einem Gefängnis.«
»Ja, bin ich das denn nicht?«, rief sie empört. Es war ihr egal, dass der Diener Zeuge dieser Auseinandersetzung wurde. »Fräulein Kastner steht dem Haushalt vor. In Ordnung, das kann ich ja noch verstehen, obwohl ich so etwas zwei Jahre auf einem langweiligen Institut gelernt habe. Und ich darf nicht allein verreisen, auch das akzeptiere ich, auch wenn es mir schwerfällt.« Wütend schmiss sie ihre Serviette auf den Tisch und sprang auf. Ihre Stimme steigerte sich zu einem Stakkato. »Aber dass ich meine beste Freundin, dieeine halbe Stunde zu Pferd von hier entfernt wohnt, nicht allein besuchen darf, das werde ich nicht akzeptieren.« Ihr Gesicht war kalkweiß. »Ich bin deine Frau und nicht deine Gefangene. Treib es nicht zu weit, Heinrich!«
Der starrte sie mit offenem Mund an. Mit so einer Reaktion hatte er offensichtlich nicht gerechnet. »Nun setz dich mal wieder«, sagte er besänftigend. Er drehte sich zu Ludolf, der mit versteinertem Gesicht im Halbdunkel vor der Anrichte stand. »Gieß uns Wein nach. Meine Frau hat nichts mehr zu trinken.«
»Also, was ist?« Feodora ließ nicht locker.
»Nun gut, zu Henkiels kannst du von mir aus, vor allem, wenn ich verreist bin. Aber sag Bescheid, damit man sich um dich keine Sorgen macht.« Feodora hatte einen ersten Triumph errungen.
Natürlich erfuhr Irma am nächsten Morgen in der Küche, was sich am Vorabend ereignet hatte. »Hast ja jleich mächtig Eindruck jemacht. Ludolf hat jesagt, so perplex hat er den Baron noch nie jesehen«, berichtete sie kurz darauf Feodora, »und ich «, wieder zog sie das Wort in die Länge, »hab ihnen erzählt, wie du der Kastner jestern Sauret jejeben hast.«
»Gut, Irmchen, jetzt wissen wenigstens alle, auch mein wundervoller Gatte, dass man mit mir nicht alles machen kann. Weiß hier eigentlich jemand, dass du lesen und schreiben kannst?«
»Biste verrickt? Du bist dat Komtesschen, und ich war erst Dienstmagd inne Küche, wo mir Elfriede kochen beijebracht hat, dann hab ich mir um deine Kledage jekümmert, und deshalb wolltste mir hier mit haben als deine Zofe. Ich hab mich hier einjeführt unter dem Motto ›Ik bin doof und weeß von nuscht nix‹.«
Feodora musste lachen. »Ach Irmchen, wenn ich dich nicht hätte!«
Feodora sollte sich aus der gemischten Herde ein Pferd aussuchen. Eine Weile hatte sie mit Hans, dem Stallmeister, an der Koppel gestanden, als eine weiß gefleckte Stute direkt auf sie zutrabte und den Kopf über den Zaun steckte. Zwischen den großen braunen Augen hatte sie eine rombenförmige weiße Blesse. Feodora strich dem Pferd über die weichen Nüstern. »Du gefällst mir«, flüsterte sie. »Wie heißt du denn?«
»Das ist Honey, ein wunderschönes Tier«, sagte Hans. »Wir haben sie gerade erst eingeritten. Sie ist noch ein wenig wild.«
Feodora lachte. »Das stört mich nicht.« Sie schmiegte ihre Wange an den Kopf der Stute und flüsterte leise: »Wollen wir beide es zusammen versuchen? Ich mag dich nämlich.«
Das Tier
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