Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Heinrich getobt, »und die werden hoffentlich nicht zu lange auf sich warten lassen.«
Hin und wieder tauchte wie aus dem Nichts Klaus, der Pferdeknecht, auf. »Tachchen, Frau Baronin«, sagte er nur und verschwand in einer der Boxen, um offensichtlich seiner Arbeit nachzugehen.
Feodora schenkte ihm keine weitere Beachtung. Zu sehr war sie mit sich und ihrem aussichtslosen Schicksal beschäftigt. Sie hatte panische Angst, schwanger zu werden, träumte sie doch manchmal davon, dass eines Tages ein Prinz kommen und sie entführen würde, ein Prinz, der die Züge Gottfrieds hatte. Was sollte sie da mit einem Kind?
Einmal fragte Irma: »Wär es nich doch besser, wenn du einen Sohn bekämst? Vielleicht lässt der Alte dir dann mehr in Ruhe.«
»Bist du verrückt? Ein Kind von Heinrich … nein, wirklich nicht.« Feodora war außer sich. Nicht einmal Irma wusste von ihren Träumen.
»Dann musste wat dagegen tun.«
»Ja was denn …?« Feodora fragte nicht, woher Irma ihre Informationen hatte, aber von nun an traf sie jede Nacht, wenn Heinrich schlief, Vorkehrungen, die eine Schwangerschaft verhüten sollten.
Die Vorbereitungen für Weihnachten rissen sie für kurze Zeit aus ihrer Lethargie. Heinrich hatte ihre Eltern eingeladen, die wieder einmal absagten. »Sie schreiben, dass sie das Fest im Ausland verbringen. Verstehst du das?«, fragte er sie etwas befremdet. »Warum wollen sie uns nicht sehen?«
»Keine Ahnung. Seit dem Tod meines Bruders ist meine Mutter etwas wunderlich.«
Offensichtlich war ihr Mann mit dieser Erklärung zufrieden, denn mit derselben Post war eine Zusage aus Buchenhain gekommen. »Wir sind entzückt, Weihnachten bei euch zu sein«, schrieb Carla, und Feodora sagte ganz aufgeregt: »Heinrich, wir müssen Geschenke kaufen. Karl kommt auch, wir können doch Heiligabend nicht mit leeren Händen dastehen. Übrigens, was hältst du davon, wenn ich mich auch um die Geschenke für die Bediensteten kümmere? Ich weiß, Fräulein Kastner ist dafür zuständig, aber ich habe doch hier gar nichts zu tun. Es würde mir wirklich Freude machen und außerdem die Hausdame ein wenig entlasten.«
»Ja, tu das, Liebes.« Heinrich war begeistert, seine Frau mal wieder fröhlich zu sehen. »Lass dir von der Kastner eine Liste mit den Namen geben.«
Am nächsten Morgen, Heinrich las gerade die Zeitung, stand die Hausdame zornentbrannt vor ihm. »WollenSie mich in meinen Kompetenzen beschneiden, Herr Baron?«
Er sah sie erstaunt an. »Wie … was meinen Sie?«
»Die Frau Baronin hat eine Liste von mir verlangt …«
»Meine Frau hat den Wunsch geäußert, sich dieses Jahr um die Weihnachtsgeschenke zu kümmern. Wo ist das Problem?« Seine Stimme klang ärgerlich.
»Ich … ich … mache das seit über zwanzig Jahren …!«
»Ja, und nun macht das meine Frau. Ist sonst noch etwas?«
Wortlos verließ die Hausdame den Raum.
Ludolf, der Zeuge dieses Gespräches geworden war, berichtete Käthe und Irma später, die Kastner sei einer Ohnmacht nahe gewesen.
Feodora wusste, dass sie wieder einen kleinen Sieg errungen, aber sich die Hausdame nun auch endgültig zur Feindin gemacht hatte.
Als das Mädchen ihr am Abend beim Umkleiden half, sagte Feodora aufgeregt: »Irmchen, wir dürfen nach Insterburg fahren und Weihnachtsgeschenke einkaufen. Ich habe Heinrich gesagt, du müsstest mitkommen. Ich könnte unmöglich alles allein schleppen.«
Sie blühte direkt auf, als sie sich mit Irma daranmachte, eine Liste mit den Dingen zu erstellen, die sie gemeinsam einkaufen wollten. »Frag Käthe, was sie sich wünscht, und hast du nicht gesagt, Ludolf hätte gern ein Paar warme Hausschuhe?«
Mehrmals fuhren sie in den folgenden Wochen nach Insterburg, da einige Dinge bestellt oder angefertigt werden mussten. Sie hatten sich elegant angezogen. Bereits auf Troyenfeld hatte Feodora der viel kleineren Irma ihre Kleider,aus denen sie herausgewachsen war, geschenkt, die diese wie einen Schatz hütete. Sie trug sie nur zu ganz besonderen Anlässen. Arm in Arm schlenderten sie durch die Straßen, in denen vorweihnachtliches Gedränge herrschte, und zum Abschluss besuchten sie eines der Kaffeehäuser, tranken eine heiße Schokolade und kicherten über die älteren Damen, denen man ansah, dass sie wohl jeden Nachmittag dort ihre Buttercremetorte verzehrten. Dann fühlte Feodora sich frei und unbeschwert und vergaß für ein paar Stunden ihre unglückliche Ehe.
Zu Weihnachten schenkte ihr Heinrich einen bodenlangen russischen
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