Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
Kronenzobel. Carla schien sich mehr darüber zu freuen als sie. »Kind, dieser Mantel ist leicht wie eine Feder. Er muss ein Vermögen gekostet haben. Was hast du nur für einen großzügigen Mann.«
Feodora war klar: Sollte ihr Traumprinz sie nicht finden – von ihrer Tante hatte sie keine Hilfe zu erwarten. Eher noch von Julia, die ganz offensichtlich mit ihrem Liebling litt. »Wenn du es nicht mehr aushältst, lass es mich wissen. Wir werden gemeinsam eine Lösung finden.«
»Ach, Julchen, solang es Träume gibt …«
Der Winter erschien Feodora endlos. Weder Idas aufmunternde Briefe noch Karl Fichtels gelegentliche Besuche konnten sie aufmuntern. Sie sehnte sich nur noch nach dem Frühling, wenn sie endlich wieder mit Honey über die Felder reiten und so etwas wie ein wenig Freiheit spüren konnte.
Wie jedes Jahr dauerte es nur wenige Tage, dass der schier endlos scheinende Winter sich in einen strahlenden Frühling verwandelte. Der für Monate in ein weißes Kleid gehüllte Park bekam wieder sein altes Gesicht. Krokusse sprossenaus dem zartgrünen Rasen, der noch aufgeweichte Boden im Wald und auf den Feldern roch nach Frühling, und das Zwitschern der in Scharen zurückkehrenden Vögel erschien Feodora wie Musik.
Seit Tagen schon schien die Sonne von einem strahlend blauen Himmel. »Heute werde ich ausreiten«, sagte sie beim Frühstück, »ob es dir passt oder nicht, Heinrich.«
»Aber der Boden ist noch aufgeweicht, du solltest noch ein paar Tage warten. Es ist zu gefährlich. Du könntest im Morast steckenbleiben …«
Feodora stampfte mit dem Fuß auf. »Ich reite seit meinem fünften Lebensjahr, nie ist mir etwas passiert.«
»Denk an die Schneewehe!«
Sie rollte die Augen. »Ich habe es schließlich überlebt, oder?«
»Also gut.« Heinrich gab sich geschlagen. »Ich erlaube es dir. Aber nur unter der Bedingung, dass dich jemand begleitet. Der Stallmeister soll dir einen guten Reiter mitgeben. Vielleicht Klaus, er ist einer unserer besten.«
»Was … jetzt bekomme ich auch noch ein Kindermädchen?« Sie kochte vor Wut.
Seelenruhig köpfte Heinrich sein sechstes Ei. »Entweder mit Klaus oder gar nicht. Du kannst es dir aussuchen.«
Eine Stunde später trabten die beiden schweigend durch den Eichenwald. Feodora war noch immer wütend. Heinrich ging entschieden zu weit in seiner Bevormundung. Sie würde heute Abend mit ihm sprechen.
Klaus bog jetzt in einen Pfad ein, den sie nicht kannte. Als sie aus dem Schatten der Bäume herauskamen, sah sie in einiger Entfernung einen kleinen See, dessen ruhiges Wasser in der Sonne glitzerte.
»Wollen wir um die Wette reiten? Wer als Erster am Ufer ist«, rief Klaus und gab seinem Pferd die Sporen.
»Los, Honey«, rief Feodora, tief über den Hals des Tieres gebeugt, »dem Jungen werden wir es zeigen.«
Nebeneinander flogen sie über die Felder, übersprangen Zäune und schmale Gräben. Fast gleichzeitig kamen sie an ihrem Ziel an, Pferde und Reiter waren außer Atem.
Feodora sprang ab und setzte sich auf einen Baumstumpf. »Du hättest mich nicht gewinnen lassen müssen«, sagte sie lachend. »Hast du gedacht, ich wäre eine schlechte Verliererin?«
»Sie sind die Frau Baronin …« Er sah sie mit seinen freundlichen Augen unbefangen an, dann lächelte er. »Aber eine fabelhafte Reiterin, wirklich, das sind Sie.«
»Danke, Klaus, ein schönes Kompliment.« Sie deutete auf einen Baumstumpf neben sich. »Die Pferde müssen ein wenig verschnaufen. Setz dich, auch uns tut eine kleine Pause gut.«
Schüchtern ließ er sich in einiger Entfernung von ihr nieder.
»Es ist schön hier«, sagte Feodora nach einer Weile. »Kommst du oft hierher?«
»Immer, wenn ich auf Gut Eichen bin. Vor allem im Sommer zum Schwimmen.«
»Und wo bist du, wenn du nicht auf Gut Eichen bist?«, fragte sie neugierig.
»Ich studiere in Königsberg Land- und Forstwirtschaft. In den Semesterferien und manchmal an den Wochenenden helfe ich im Stall. Damit finanziere ich mein Studium.«
»Wie alt bist du denn?«
»Zweiundzwanzig.« Er lächelte. »Haben Sie mich jünger geschätzt?«
»Ich weiß nicht …« Feodora fühlte sich plötzlich unsicher. Dieser Junge hatte etwas an sich, das sie beunruhigte. Und hatte Irma nicht unlängst gesagt, Klaus sei in sie verliebt? Sie sprang auf. »Wir sollten zurückreiten. Mein Mann macht sich immer so übertriebene Sorgen um mich.«
Schweigend galoppierten sie nach Hause.
»Nun, wie war dein Ausritt?«, begrüßte sie Heinrich gut
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