Solang es Träume gibt: Das Leben einer ostpreußischen Gräfin (German Edition)
erst Besitz von den Räumen ergreifen konnten.
Ständig waren irgendwelche Hausgäste da, ältere Herrschaften, die Feodora zu Tode langweilten. Gespräche über die Ernte interessierten sie nicht, auch nicht das Nachlassen der jahrelangen Depression, und noch weniger ertrug sie das Gerede über Geld – neben harmlosem Klatsch das beliebtesteThema. »Geld muss man haben«, war ein von Heinrich ständig gebrauchter Satz, der sie manchmal zur Weißglut brachte.
Der einzige von Heinrichs Freunden, den sie bald sehr schätzen lernte, war Karl Fichtel. Er war ein ausgezeichneter Reiter mit einem großen Pferdeverstand, interessierte sich für die Bücher, die sie las, und unterhielt sich mit ihr auch über andere Dinge als über Geld. Karl sprach nie über sich selbst. Von Heinrich hatte sie erfahren, dass er früh verwitwet war, in Königsberg lebte und ein Händchen für Finanzdinge hatte.
»Weißt du eigentlich, dass Heinrich ein sehr reicher Mann ist?«, fragte Karl Feodora eines Tages.
»Das muss er wohl.« Ihr Ton war schneidend. »Schließlich hat er mich für viel Geld gekauft. Das dürfte dir als seinem Finanzberater ja wohl nicht entgangen sein.«
»Nun …« Die Richtung, die das Gespräch nahm, war ihm sichtlich unangenehm. »… wenn du das so nennen willst.« Er sah nicht glücklich aus.
»Meine Tante Carla behauptet, Ehen würden nicht im Himmel geschlossen. Bist du auch dieser Meinung? In meinem Fall muss ich ihr leider recht geben.«
»Nein, mein Kind. Das bin ich nicht. Ich habe meine Frau geliebt und sie mich auch.« Karl war ans Fenster getreten und wandte ihr den Rücken zu. Seine Stimme klang gepresst. »Sie ist viel zu früh von mir gegangen.«
»Hast du nie mehr den Wunsch gehabt, wieder zu heiraten?«
»Den Wunsch schon. Aber keine kam an meine Nora heran. Deshalb bin ich lieber allein geblieben.« Er wechselte schnell das Thema.
Feodora spürte, sie hatte einen Freund gewonnen. Aber er war leider nicht immer da. Oft kam er wochenlang nicht und stand dann plötzlich unangemeldet vor der Tür. Immer brachte er ihr ein Geschenk mit: mal ein Parfüm oder eine Puderdose, an anderes Mal einen besonders schönen Schal und einmal ein abschließbares, mit rotem Samt ausgelegtes Kästchen aus Ebenholz. »Für deine kleinen Geheimnisse«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Heinrich überbrachte er fast immer geschäftliche Erfolgsmeldungen, welche diesen jedes Mal in beste Laune versetzten und ihn veranlassten, Feodora zusätzlich zu ihrem Nadelgeld ein paar Goldstücke zuzustecken. Achtlos legte sie alles in ihre kleine Schatztruhe, wie sie das Kästchen nannte. Wann hatte sie schon mal Gelegenheit, Geld auszugeben? Sie konnte nicht ahnen, dass dieser »Schatz« in nicht allzu langer Zeit ein Leben retten sollte.
Wie immer in Ostpreußen brach der Winter mit Macht über das Land herein. Das Thermometer zeigte bald unter minus zwanzig Grad. Park und Felder waren tief verschneit, das ganze Land versank im Schnee, und der See war bedeckt von einer dicken Eisschicht. An Ausreiten war nicht mehr zu denken, nicht bevor die Schneewehen verschwunden und die Wege wieder befahrbar waren.
Die Tretmühle des täglichen Einerleis ließ Feodora fast verzweifeln. Frühstück, Mittag- und Abendessen mit Heinrich und den Hausgästen. Das Getöne der Geschäftsfreunde, ihr Gerede über Geld – es ödete sie an. Die Zoten, die man riss, ohne auf ihre Gegenwart Rücksicht zu nehmen, und über die man sich ausschüttete vor Lachen, ließen sie erstarren. Sie fühlte sich wie ein Nichts!
Der einzige Lichtblick in dieser Zeit waren neben den seltenen Besuchen von Carla und Julia ihre Spaziergänge mit Rex durch den endlosen verschneiten Park. Die Schweigsamkeit des Eichenwaldes ließ sie ruhiger werden, und wenn sie dann zum Schluss in den Stall ging, um Honey zu besuchen, ging es ihr wieder besser. Schon wenn sie den Stall betrat, spitzte das Tier die Ohren und begann zu wiehern. Nie kam sie ohne einen Apfel oder ein Stück Zucker. Wenn sie dann ihren Kopf an die weichen Nüstern der Stute legte, erzählte sie ihr leise von ihrem Kummer. »Wir dürfen erst im Frühjahr wieder zusammen ausreiten, mein Liebling«, flüsterte sie. »Heinrich sagt, jetzt sei es zu gefährlich.« Nachdem sie einmal mit dem Pferd in einer Schneewehe steckengeblieben war und sich erst nach Stunden hatte befreien können, waren ihr weitere Ausritte verboten worden. »Du gefährdest dein Leben und das meiner zukünftigen Erben«, hatte
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