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Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
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in die Mandel-Halbmonde und die Orangenblüten-Baklava und die Rosenwasser-Plätzchen, die ihr so köstlich auf der Zunge zergingen, und es war dieses Essen, das das Kind in ihr ernährte. Ihr Vater hatte oft schlecht von den Muslimen gesprochen, aber jetzt wusste Rose, dass er sich in den Religionen ebenso getäuscht hatte wie in den Absichten der Nazis. Die Haddams hatten ihr eigenes Leben aufs Spiel gesetzt, um ihres zu retten. Sie gehörten zu den besten Menschen, die sie je kennengelernt hatte.
    Außerdem wusste Rose, dass man, um solches Gebäck zu machen, wie es die Haddams machten, gut und freundlich sein musste. Das Herz offenbarte sich immer beim Backen, und wenn auf der eigenen Seele ein dunkler Schatten lag, dann würde auch auf den Gebäckstücken ein dunkler Schatten liegen. Aber in dem Gebäck der Haddams lagen Licht und Güte. Rose konnte es schmecken, und sie hoffte, dass das Kind, das in ihr heranwuchs, es ebenfalls schmecken konnte.
    Manchmal erlaubte Madame Haddam Rose, sie auf den Markt zu begleiten, solange Rose schwor, nicht zu sprechen und sich mit einem Schleier zu verhüllen. Sie mochte die Anonymität, die er ihr verlieh, und obwohl die Haddams in einem muslimischen Viertel einkauften, hielt Rose auf dem Markt dann immer verzweifelt im Gedränge Ausschau, in der Hoffnung, einen flüchtigen Blick auf irgendjemanden aus ihrem alten Leben zu erhaschen. Einmal sah sie Jean Michel auf der Straße, aber sie konnte ihm nicht zurufen, da sie auf einmal einen Kloß im Hals hatte. Bis sie wieder einen Laut von sich zu geben vermochte, war er längst verschwunden.
    Eines Abends, nachdem sie auf Arabisch das Salah mit den Haddams gesprochen hatte, war Rose in ihrem eigenen Zimmer und betete auf Hebräisch, als sie sich auf einmal umdrehte und sah, wie Nabi sie beobachtete. »Komm her, Nabi«, sagte sie zu dem Jungen. »Bete mit mir.«
    Er kniete sich neben sie, während sie ihre Gebete zu Ende sprach, und dann saßen sie zusammen schweigend da. »Rose?«, fragte er nach einer langen Weile. »Glaubst du, dass Gott Arabisch oder Hebräisch spricht? Kann er deine Gebete hören oder meine?«
    Rose dachte einen Augenblick darüber nach, und sie begriff, dass sie die Antwort nicht wusste; sie hatte in letzter Zeit zu zweifeln begonnen, ob Gott sie überhaupt hörte, egal, welche Sprache sie sprach. Denn wenn er sie hörte, wie konnte er dann zulassen, dass ihre Familie und Jacob aus ihrem Leben gerissen wurden? »Ich weiß es nicht«, sagte sie schließlich. »Was meinst du, Nabi?«
    Der Junge dachte lange darüber nach, bevor er erwiderte: »Ich glaube, Gott kann alle Sprachen sprechen«, sagte er mit Überzeugung in der Stimme. »Ich glaube, er hört uns alle.«
    »Glaubst denn du, wir beten alle zu demselben Gott?«, fragte Rose nach einer Weile.
    Nabi schien auch über diese Frage sehr ernsthaft nachzudenken. »Ja«, sagte er schließlich zu Rose. »Ja. Es gibt nur den einen Gott. Er wohnt im Himmel, und er kann uns alle hören. Es ist nur so, dass wir hier auf der Erde verwirrt davon sind, wie wir an ihn glauben sollen. Aber was macht das schon, solange wir glauben, dass es ihn gibt?«
    Rose lächelte. »Ich denke, da könntest du recht haben, Nabi«, sagte sie. Sie dachte darüber nach, was Jean Michel zu ihr gesagt hatte, als sie Jacob zum letzten Mal gesehen hatte. »Im Augenblick«, sagte sie leise zu dem kleinen Jungen, während sie ihm mit einer Hand übers Haar strich, »können wir nur beten und hoffen, dass Gott uns erhört.«

17
    Nachdem wir den Mitarbeiter vom Bodenpersonal überredet haben, uns nach der vorgeschriebenen Check-in-Zeit noch durchzulassen, rasch die Sicherheitskontrolle durchlaufen haben und zu unserem Gate gerannt sind, erreichen Alain und ich unser Flugzeug fünf Minuten, bevor die Kabinentüren geschlossen werden.
    Im Taxi habe ich versucht, Annie von Alains Handy aus anzurufen, aber sie hat nicht abgenommen. Ebenso wenig Gavin oder Rob, bei denen ich es auch noch versucht habe. Mamies Heim hat keine neuen Informationen über ihren Zustand, und die Schwester, die ich im Krankenhaus erreichte, sagte, meine Großmutter sei im Augenblick stabil, man könne aber unmöglich sagen, wie lange dieser Zustand anhalte.
    Während wir die Startbahn hinunterrollen und über Paris abheben, sehe ich zu, wie die Seine unter uns verschwindet, ein Band, das die Landschaft durchschneidet, und ich stelle mir vor, wie sich Mamie als Siebzehnjährige auf einem Lastkahn versteckt hat, der sich

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