Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Solange am Himmel Sterne stehen

Solange am Himmel Sterne stehen

Titel: Solange am Himmel Sterne stehen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Harmel
Vom Netzwerk:
uns geworden?«, fragte sie. »Aus diesem Land?«
    »Die Welt hat den Verstand verloren«, murmelte Jacob.
    Sie holte einmal tief Luft. »Wirst du zurückkommen und mich holen?«
    »Ich werde zurückkommen und dich holen«, sagte Jacob prompt. »Du bist mein Leben, Rose. Du und unser Baby. Das weißt du doch.«
    »Ich weiß«, flüsterte sie.
    »Ich werde dich finden, Rose«, sagte Jacob. »Wenn dieses ganze Grauen vorbei ist und du in Sicherheit bist, dann werde ich dich holen. Ich gebe dir mein Wort. Ich werde nicht ruhen, bis ich wieder an deiner Seite bin.«
    »Ich auch nicht«, murmelte Rose.
    Er zog sie an sich, und sie atmete seinen Geruch ein, prägte sich das Gefühl seiner Arme um sie ein, presste den Kopf an seine Brust und wünschte, sie müsste ihn niemals loslassen. Aber dann war Jean Michel wieder da und trennte sie sanft von Jacob, sagte ihr leise, sie müssten jetzt gehen, bevor es zu spät sei. Sie wusste nur, dass Jean Michel, ein Katholik, sie zu einem anderen Mann bringen würde, der dem Widerstand angehörte, einem Mann namens Ali, der Muslim war. Das war etwas, worüber sie hätte lächeln müssen – Katholiken, Juden und Muslime, die gemeinsam an einem Strang zogen –, wenn nicht die Welt um sie herum einstürzen würde.
    Jacob zog sie ein letztes Mal an sich, zu einem letzten, langen Abschiedskuss. Als Jean Michel sie wegführte, riss sie sich noch einmal von ihm los. »Jacob?«, rief sie leise in die Dunkelheit.
    »Ich bin hier«, sagte er. Er tauchte noch einmal aus den Schatten auf.
    Sie holte einmal tief Luft. »Geh noch einmal zurück, und hole sie. Bitte. Meine Familie. Ich darf sie nicht verlieren. Ich könnte nicht damit leben, wenn sie umkommen, weil ich mich nicht genug bemüht habe.«
    Jacob starrte ihr in die Augen, und für einen Moment wollte Rose die Worte am liebsten zurücknehmen, denn sie wusste, worum sie bat. Aber es war keine Zeit mehr. Er nickte und sagte nur: »Ich werde noch einmal zurückgehen. Versprochen. Ich liebe dich.«
    Und dann war er in der pechschwarzen Dunkelheit verschwunden. Rose verharrte wie gelähmt an Ort und Stelle. Es kam ihr vor wie eine Ewigkeit, aber tatsächlich waren es nur ein paar Sekunden. »Nein«, murmelte sie im Stillen. »Was habe ich getan?« Sie ging Jacob einen Schritt nach, wollte ihn aufhalten, wollte ihn warnen. Aber Jean Michel schlang die Arme um sie und hielt sie fest.
    »Nein«, sagte er. »Nein. Jetzt liegt es in Gottes Hand. Du musst mit mir kommen.«
    »Aber …« Sie versuchte unter Protest, sich loszureißen.
    »Jetzt liegt es in Gottes Hand«, sagte Jean Michel noch einmal, während Roses Körper von Schluchzern erschüttert wurde. Er hielt sie noch fester und flüsterte in die Dunkelheit: »Im Augenblick können wir nur beten und hoffen, dass Gott uns erhört.«
    Danach war es eine Qual für sie, versteckt in Paris zu leben und zu wissen, dass ein oder zwei Kilometer weiter ihre Familie oder Jacob vielleicht ebenfalls untergetaucht waren. Zu wissen, dass sie nichts tun konnte, um sie zu finden, dass es jetzt ihre einzige Aufgabe war, das Kind in sich zu schützen, hielt sie jede Nacht hilflos schluchzend wach.
    Die Leute, die sie aufgenommen hatten, die Haddams, waren freundlich, auch wenn sie wusste, dass die Mutter und der Vater sie nicht dort haben wollten; schließlich war sie eine Belastung; sie wusste, dass allein schon ihre Anwesenheit sie alle in Gefahr brachte. Wenn nicht das Baby wäre, das zu beschützen sie geschworen hatte, dann wäre sie längst allein schon aus Höflichkeit von dort weggegangen. Dennoch, sie waren gastfreundlich, und im Laufe der Zeit schienen sie sie zu akzeptieren. Ihr kleiner Sohn, Nabi, erinnerte Rose an Alain, und das half ihr an den meisten Tagen, nicht den Verstand zu verlieren; sie konnte so mit ihm reden, wie sie früher mit ihrem kleinen Bruder geredet hatte, und damit fühlte sich dieses neue Zuhause ein bisschen mehr so an wie das, welches sie zurückgelassen hatte.
    Sie und Madame Haddam verbrachten viele Stunden zusammen in der Backstube, und nach einer Weile fand Rose den Mut, Madame Haddam ein paar Rezepte von der aschkénaze- Bäckerei ihrer eigenen Familie vorzustellen. Madame Haddam wiederum brachte ihr viele köstliche Gebäckstücke bei, von denen Rose noch nie gehört hatte.
    »Du solltest wissen, wie man mit Rosenwasser backt«, hatte Madame Haddam eines Tages zu ihr gesagt. »Das ist nur angemessen für ein Mädchen, das Rose heißt.«
    Und so verliebte sich Rose

Weitere Kostenlose Bücher