Solange du atmest
Sie Craig nicht sowieso umbringen werden?â
âNiemand.â Die Stimme lachte. âAber dir bleibt wohl kaum etwas anderes übrig, als es darauf ankommen zu lassen, oder? Denn eines sag ich dir: Die Polizei findet deinen Herzallerliebsten sicher nicht so schnell. Ãberleg mal ⦠Allein in einem Sarg, die Luft wird knapp, es fängt an zu regnen, und dein enges Gefängnis füllt sich langsam mit Wasser ⦠Na, was ist das für eine Vorstellung?â
âSie Mistkerl!â, schrie Miley. Sie spürte, wie ihr die Tränen in die Augen traten.
Wieder erklang am anderen Ende der Leitung nur ein höhnisches Lachen. âBeschimpf mich ruhig, wenn es dir dann besser geht. Hauptsache du tust danach brav, was man dir aufgetragen hat. Also, bist du bereit, dir deine nächste Aufgabe anzuhören?â
Miley atmete tief durch. Dann nickte sie. âWas soll ich tun?â
âDrüben im Arbeitszimmer steht ein Laptopâ, sagte Juna, nachdem Miley ihnen erklärt hatte, was die Stimme von ihnen verlangte. âAber ich versteh das noch nicht so ganz ⦠Du sollst das Notebook nehmen und damit zu Craigs kranker Tante fahren? Wozu das?â
Miley zuckte mit den Schultern. âWenn ich es richtig verstanden habe, bewahrt Craig bei ihr einen Datenträger auf. Wir sollen die Daten, die darauf gespeichert sind, kopieren und dann auf eine spezielle Seite im Internet hochladen, die uns noch genannt wird. Das warâs.â
âKlingt ziemlich einfachâ, kommentierte Juna ein wenig überrascht.
âEin bisschen zu einfach, wenn ihr mich fragt.â Fletcher fuhr sich mit einer Hand übers Haar. âIch frage mich, was uns bei dieser ominösen Tante wohl erwartet. WeiÃt du irgendwas über sie, Miley?â
âNur dass sie ziemlich krank ist. Craig besucht sie öfter mal und bleibt auch ab und zu über Nacht dort. Mir tat das immer sehr leid. So etwas ist ja eine ziemliche Belastung, und entsprechend niedergeschlagen hat er immer gewirkt, wenn er bei ihr war. Wobei â¦â
âJa?â, fragte Juna.
âNa ja. Jetzt, wo ich weiÃ, dass seine Eltern gar nicht im Ausland sind, frage ich mich, warum sie sich gar nicht um Craigs Tante kümmern. Ich meine, sie sind zwar etwas seltsam, aber auf mich haben sie nicht unbedingt den Eindruck gemacht, als würden sie eine kranke Verwandte einfach sich selbst überlassen.â
âWarst du denn mal bei dieser Tante?â, wollte Fletcher wissen.
Miley schüttelte den Kopf. âCraig wollte nicht, dass ich sie in diesem schlechten Zustand sehe. Aber er hat öfter von ihr erzählt.â
âUnd du hast ihre Adresse?â
âJa, ich hab sie zufällig mal aufgeschnappt. Sie wohnt in Tampa, 22, Mile End Street. Ich habâs mir wohl gemerkt, weil das so ähnlich klingt wie mein Name.â
âGutâ, sagte Fletcher. âTeri, du kennst dich von uns allen am besten mit Computern aus. Nimm du den Laptop und alles, was du sonst noch brauchen könntest. Ich schlage vor, wir schauen uns noch mal in der ganzen Wohnung um. Vielleicht finden wir ja noch etwas, was uns später weiterhelfen könnte. Noch Fragen?â
Keine zwanzig Minuten später machten sie sich auf den Weg zurück nach Tampa. Abgesehen von ein paar alten Rechnungen, hatten sie in Craigs alias Patricks Wohnung nichts Interessantes gefunden. Der Laptop steckte nun in Teris Umhängetasche, während Miley den Pass und die Schlüsselkarte bei sich trug.
Als sie durch die nächtlichen StraÃen der Stadt fuhren, herrschte im Wagen bedrücktes Schweigen. Keiner wusste so recht, was er sagen sollte. Fletcher warf Miley immer wieder besorgte Blicke zu, doch sie ging nicht darauf ein. Ihr war nicht nach Reden zumute. Sie musste erst einmal verarbeiten, was sie in den letzten Stunden alles erfahren hatte.
Doch vorher musste sie diese verdammte Nacht überstehen â¦
Irgendwann hörte sie, wie Fletcher sich vernehmlich räusperte. âSag mal, bist du dir mit der Adresse von Craigs Tante wirklich sicher?â
Miley, die versonnen zum Seitenfenster hinausgeschaut hatte, blinzelte irritiert. âJa, wieso?â
âNa, weil das hier ein Gewerbegebiet istâ, antwortete er und deutete auf ein StraÃenschild, an dem sie gerade vorbeifuhren und auf dem in fetten Lettern âMile End Streetâ stand.
Irgendwie wunderte das Miley überhaupt nicht mehr.
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