Solange du atmest
Sie wusste, dass Fletcher recht hatte. Und wenn sie ehrlich war, machte sie sich um ihre Freundin im Moment wesentlich mehr Sorgen als um ihren Verlobten. Vermutlich deshalb, weil sie einfach nicht mehr wusste, was sie über Craig denken sollte.
Sie wusste ja nicht einmal, wer er überhaupt war.
Fest stand nur, dass Craig in ziemlich abstruse Dinge verwickelt war, die sie einfach nicht überschauen konnte. Dass er sich nun auch noch als der Besitzer eines Stripklubs entpuppt hatte, schien dabei nur die Spitze des Eisbergs zu sein. Nein, Miley war sicher, dass es dabei noch um viel mehr gehen musste. Irgendetwas stimmte mit diesem Laden nicht. Ein solches Gewerbe mochte grundsätzlich zwielichtig sein. Aber die Tatsache, dass dieser Wachmann einfach auf zwei flüchtende Mädchen geschossen hatte, sprach eindeutig dafür, dass in diesem Klub noch anderes vor sich ging. Dinge, von denen niemand etwas erfahren sollte.
Aber was? Und was genau hatte Craig damit zu tun?
Sie erreichten das Krankenhaus, und Fletcher parkte einfach mitten in der Einfahrt. Juna rannte zur Notaufnahme, um die Verletzte zu melden. Auch Fletcher sprang aus dem Wagen und half Miley beim Aussteigen. Gemeinsam schafften sie die bewusstlose Teri aus dem Fahrzeug.
Dann ging alles ganz schnell. Zwei Pfleger kamen ihnen mit einer Rollbahre entgegen, auf die sie Teri hoben. Kurz darauf erschien ein Arzt, der sofort die Schusswunde begutachtete.
âSieht nach einer Fleischwunde ausâ, sagte er. âAber wir müssen trotzdem sofort die Kugel rausholen und die Wunde versorgen, damit sie sich keine Infektion holt.â
âAlso besteht keine Lebensgefahr?â, fragte Miley ängstlich.
âMeiner Einschätzung nach nicht.â Er wandte sich fragend an die Jugendlichen. âWie ist das eigentlich passiert?â
âÃhm â¦â Miley schluckte hart.
âEs ging alles wahnsinnig schnellâ, erwiderte Fletcher an ihrer Stelle. âWir haben gar nicht so richtig mitgekriegt, wie es abgelaufen ist.â
Dem Arzt war deutlich anzusehen, dass er ihm kein Wort glaubte. âDas Märchen könnt ihr nachher der Polizei erzählenâ, sagte er und wandte sich ab.
âDie rufen echt die Polizeiâ, stieà Juna hervor.
Fletcher nickte. âDas war doch klar, oder? Bei einer Schussverletzung sind sie schlieÃlich dazu verpflichtet.â
âAber was machen wir denn jetzt?â, fragte Juna. âWir können doch nicht einfach hier rumsitzen und warten, bis die Cops eintreffen. Ihr wisst doch, was Craigs Entführer gesagt hat. Wenn wir Kontakt mit der Polizei aufnehmen, bringt er Craig um!â
âUns bleibt aber keine andere Wahlâ, entgegnete Miley verzweifelt. âAbhauen ist jedenfalls nicht drin. Teri braucht uns!â
âTeri ist hier in den besten Händenâ, erwiderte Fletcher nachdenklich. âUnd im Moment können wir überhaupt nichts für sie tun.â
Miley sah ihn aus groÃen Augen an. âDann denkst du ⦠Ihr denkt, wir sollen einfach gehen?â
âMir gefällt das Ganze auch nichtâ, erklärte Fletcher. âAber Juna hat recht. Wenn wir bleiben, riskieren wir, dass Craig dran glauben muss. Und Teri ist hier wirklich gut versorgt. Wir sollten besser sofort abhauen, bevor es zu spät ist.â
Miley dachte einen Augenblick über seine Worte nach. Sicher, sie konnten hier nichts für Teri tun, das war Sache der Ãrzte. Trotzdem behagte ihr die Vorstellung, sich einfach davonzustehlen, überhaupt nicht; sie fühlte sich schlicht für Teri verantwortlich.
Dennoch gab sie schlieÃlich schweren Herzens nach â und zwar wegen Craig. Denn es stimmte, was Fletcher und Juna sagten: Wenn sie sich erst mal mit der Polizei herumschlagen und lästige Fragen beantworten mussten, würden sie gar nichts mehr für Craig tun können.
Sie mussten weg von hier â und zwar sofort.
Wenige Minuten später hatten sie das Krankenhaus unbemerkt verlassen und saÃen wieder in Fletchers Auto. Gerade als sie losfuhren, kam ein Streifenwagen mit Blaulicht die Zufahrt hinaufgefahren. Hätte Miley am Steuer gesessen, hätte sie vermutlich die Nerven verloren. Doch Fletcher blieb ruhig und steuerte seinen Wagen ohne groÃe Eile in Richtung StraÃe.
Erst als sie auÃer Sichtweite waren, gab er Vollgas. Und während er weiterfuhr, fragte sich Miley ängstlich, wie diese Nacht wohl enden
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