Solange du schläfst
hatte, war etwas mit mir geschehen. Eine Art Knall … So wie Jérôme es mir heute Nachmittag bei sich selbst beschrieben hatte. Als würde etwas in meinem Herzen explodieren, das von dort aus meinen ganzen Körper durchströmte, mich elektrisierte.
Ich war auf Jérôme zugelaufen, hatte meine Arme um seine Hüften gelegt und ihn geküsst. Und das Kribbeln in mir war so stark geworden, dass mir ganz schwindelig davon geworden war.
Jérôme hatte sich schließlich atemlos von mir gelöst und mich mit großen fragenden Augen angeschaut. Aber ich hatte einfach nur seine Hand ergriffen und sie seitdem nicht mehr losgelassen.
Wir erreichten den Wald, gingen jedoch nicht hinein, sondern folgten einem schmalen Feldweg, der seitlich daran entlangführte. Es war stockdunkel um uns herum, aber ich fürchtetemich nicht. Jérôme war bei mir und das gab mir ein Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit.
Ohne meine Hand loszulassen, stieg Jérôme vor mir den schmalen Pfad hinauf. Ein paar anstrengende Meter, dann waren wir oben angelangt. Um uns herum was es jetzt so finster, dass ich selbst den Boden unter meinen Füßen nicht mehr erkennen konnte. Vorsichtig zog Jérôme mich mit sich. Schritt für Schritt. Ganz behutsam. Etwas streifte meine Wange und ich schrie erschrocken auf.
»Was ist?«, fragte Jérôme besorgt und blieb stehen.
»Alles in Ordnung«, versicherte ich ihm. »Das war nur ein Zweig.«
Wir liefen weiter. Noch langsamer, und dennoch stolperte ich schon nach wenigen Schritten über einen kleinen Findling und wäre fast der Länge nach hingefallen, wenn Jérôme mich nicht in allerletzter Sekunde aufgefangen hätte.
Ich presste mich fest an ihn. Spürte sein Herz, das genauso heftig schlug wie meins.
»Wir sind gleich da«, flüsterte er mir ins Ohr, mit dieser rauen Stimme, die jedes Mal dafür sorgte, dass die Schmetterlinge in meinem Bauch total verrücktspielten.
Von mir aus hätten wir auch einfach hier stehen bleiben können, genau an dieser Stelle. Seine starken Arme um mich gelegt, eingehüllt von seinem Duft, seine Lippen, die mir etwas ins Ohr flüsterten.
Ich konnte nicht glauben, dass ich es war, die mit diesem Jungen zusammen war. Am liebsten hätte ich den Moment eingefroren. Nur Jérôme und ich und um uns herum der tiefschwarze Wald – in alle Ewigkeit.
»Komm, lass uns weitergehen«, forderte er mich auf und ich löste mich widerwillig aus der Umarmung.
Noch ein kurzes Stück quer durch den Wald und dann lag die versprochene Lichtung tatsächlich vor uns.
»Wahnsinn«, flüsterte ich. Es war so still und friedlich, dass ich mich nicht einmal traute, laut zu sprechen.
Unter uns lag das schlafende Dorf, um uns herum der Wald und über uns strahlte ein mit unzähligen Sternen übersäter Nachthimmel.
Jérôme ließ meine Hand los und breitete die Decke auf dem Boden aus, die er im Rucksack mit sich getragen hatte. Mit einer einladenden Handbewegung forderte er mich auf, Platz zu nehmen.
Ich setzte mich hin, die Beine angezogen, und blickte mich mit großen Augen um. Jérôme ließ sich direkt hinter mir nieder, legte die Arme um mich und zog meinen Oberkörper gegen seine Brust. Leise seufzend ließ ich meinen Kopf nach hinten sinken und schmiegte mich an ihn.
»Anna.«
»Ja?«
»Das mit uns …«
Ich merkte, wie sich meine Muskeln anspannten. War das etwa wieder der besorgte Tonfall in seiner Stimme? Hatte Jérôme immer noch Zweifel daran, ob wir das Richtige taten?
Blitzschnell drehte ich mich zu ihm um und legte meinen Zeigefinger auf seine Lippen.
»Nicht reden«, befahl ich leise. Dann kam ich mit dem Gesicht ganz nah an seines heran und gab ihm einen zärtlichen Kuss auf die Nasenspitze … einen weiteren auf die Wange … das rechte Ohrläppchen … seinen Hals … Ich hörte, wie er scharf die Luft einzog, und schaute verunsichert auf. Unsere Blicke trafen sich, und es lag so viel Weichheit in Jérômes Augen, dass mir ein wohliger Schauer über den Rücken lief.
»Das hier, Anna«, flüsterte er und umfasste mein Gesicht mit beiden Händen, »träum ich das alles nur?«
Ich schüttelte den Kopf und lächelte, dann schloss ich die Augen und wir küssten uns.
9.
Seit dem Abend auf der Lichtung hatte ich jede freie Minute mit Jérôme verbracht.
Meine Mutter reagierte darauf mit gemischten Gefühlen. Besonders als ich ihr mitteilte, dass ich nicht zu Konstantins Geburtstagsparty gehen wollte.
»Aber, Anna, du kannst dich doch nicht von allen absondern. Und wenn
Weitere Kostenlose Bücher