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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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stellte er mich seiner Tante vor.
    Sie musterte mich aus kühlen graublauen Augen und hielt mir schließlich die Hand hin. »Schön, dass ich dich auch mal kennenlerne, Anna.«
    Ich bemühte mich, ihrem strengen Blick standzuhalten. »Ja, finde ich auch, Frau Reineke«, antwortete ich.
    »Na, dann will ich mal weitermachen.« Sie ließ meine Hand los, nickte mir kurz zu und verschwand wieder in die Küche.
    »Ist die immer so ernst?«, fragte ich Jérôme mit gesenkter Stimme.
    Er grinste. »Wenn du das ernst nennst, dann solltest du erst einmal meinen Onkel erleben. Der geht zum Lachen ausschließlich aufs Klo.«
    »Oje«, sagte ich übertrieben mitleidig, »mein armer, armer Liebling.«
    »Hey, du …« Jerome zog mich an meinem T-Shirt zu sich. »Das ist jetzt schon das zweite Mal, dass du dich heute über mich lustig machst. Ich glaube, ich muss dir wohl mal eine kleine Lektion erteilen. Ich Tarzan, du Jane.« Damit umfasste er meine Taille und zog mich mit einem Ruck noch enger an sich heran. Mein Herz überschlug sich fast, als er mich küsste.
    Nach einer Weile räusperte sich jemand leise. »Entschuldigung, aber ich muss euch noch mal stören«, sagte Jérômes Tante, die unbemerkt wieder in die Diele getreten war.
    Verlegen lösten wir uns voneinander.
    »Was ist denn?«, fragte Jérôme.
    Seine Tante hielt ihm das Telefon entgegen. »Deine Mutter ist dran.«
    »Ich habe es überhaupt nicht klingeln hören«, wunderte er sich, während er ihr den Hörer aus der Hand nahm.
    »Hat es auch nicht. Ich habe Sabine angerufen«, erklärte Frau Reineke. »Aber sie wollte dich unbedingt kurz sprechen.«
    Jérôme nickte ihr zu, bevor er sich wieder an mich wandte. »Möchtest du schon mal in mein Zimmer gehen? Gleich die erste Tür links, wenn du die Treppe hochkommst.«
    Aber ich schüttelte den Kopf. Ich brauchte dringend frische Luft.
    »Ich warte draußen auf dich. Lass dir ruhig Zeit.«
    Als Jérôme einen Moment später aus der Haustür trat, sah er irgendwie ratlos aus.
    »Was ist?«, fragte ich und stieß mich von dem großen Findling ab, der in der Hofeinfahrt stand.
    »Meine Mutter hat mir gerade gesagt, dass sie ihren Aufenthalt in Kenia vorzeitig beenden wird.«
    »Und was bedeutet das?«, fragte ich, während sich in meinem Bauch eine leichte Unruhe breitmachte.
    Jérôme atmete tief durch und rieb sich die Stirn. »Dass für mich in spätestens drei Monaten Mahlhausen Geschichte sein wird.«
    Schlagartig zog sich mein Magen zu einem harten Stein zusammen. »Oh«, murmelte ich leise.
    »Aber wir bleiben in der Nähe. Das hat sie mir fest versprochen«, beeilte sich Jérôme, mir zu versichern.
    Den Stein in meinem Innern beruhigte das kein bisschen. Er fühlte sich nur noch schwerer an.
    »Meine Mutter will versuchen, eine Anstellung in Bremen zu bekommen oder vielleicht sogar noch näher, damit ich vorm Abi nicht noch einmal die Schule wechseln muss.« Jérôme nahm meine Hand und küsste sie. »Zwischen uns wird sich nichts ändern, Anna. Das verspreche ich dir.«
    Wir blieben eine Weile schweigend nebeneinander auf dem Findling sitzen.
    Drei Monate, noch ganze drei Monate, dachte ich immer wieder, dann war Jérôme weg. Selbst wenn er mit seiner Mutter in die nächstgelegene Kleinstadt zog, würden wir uns nicht mehr so häufig sehen können. Vielleicht sogar bald gar nicht mehr. Okay, in der Schule hin und wieder. Dennoch, alles würde sich ändern. Ganz bestimmt. Auch wenn Jérôme es nicht wahrhaben wollte.
    »Was ist mit morgen Abend, denkst du, deine Eltern lassen dich woanders übernachten?«, fragte Jérôme plötzlich.
    Ich blickte auf meine Schuhspitzen und überlegte angestrengt, was ich sagen konnte. Eine Geschichte, eine Lüge, irgendeine Ausrede musste mir doch einfallen. Aber je länger ich darüber nachdachte, desto klarer wurde mir, dass ich überhaupt keine Geschichte brauchte. Jedenfalls nicht für Jérôme. Tief in mir spürte ich, dass die Entscheidung längst gefallen war. Auch wenn ich meiner Mutter versprochen hatte, zu Konstantins Party zu gehen, im Grunde wusste ich, dass ich es nicht tun würde. Wie könnte ich auch, nachdem ich diesen Konstantin persönlich kennengelernt hatte? Selbst wenn Jérôme mir nichts über ihn und seine Clique erzählt hätte, mit so einem Typen wollte ich sowieso nichts zu tun haben.
    »Ich werde mir schon etwas einfallen lassen«, sagte ich entschlossen und lächelte.
    Jérôme legte den Arm um mich und begann, sanft meinen Hals zu küssen. Ein

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