Solange du schläfst
auf die Nerven. Wann bist du eigentlich so ein Arschloch geworden?«, brüllte er.
Jérôme schüttelte fassungslos den Kopf. »Idiot«, sagte er verächtlich und verließ die Werkstatt.
11.
Fast eine Stunde hatte ich Claudias Party- und Stylingtipps über mich ergehen lassen, und ihr fiel immer noch etwas ein, das sie unbedingt loswerden musste.
»Und denk daran, mein Schatz, lass dich nicht betrunken machen.«
Ich verdrehte die Augen. »Das habe ich auch nicht vor.«
»Das hat man meistens nicht. Trotzdem passiert es.«
Ich hatte keine Lust, ihr darauf zu antworten. Ich war einfach keine gute Lügnerin, und als Claudia mich dann auch noch fragte, ob ich mich auf die Party freuen würde, hätte ich mir selbst in den Hintern treten können, dass ich ihr noch immer nicht die Wahrheit gesagt hatte.
Okay, einen Versuch hatte ich unternommen. Als ich mir im Bad, unter ihrem kritischen Stilistinnenblick, die Haare föhnte und mich schminkte, wollte ich endlich mit der Wahrheit herausrücken.
»Mama, ich muss dir etwas sagen«, druckste ich leicht verlegen herum.
Claudia hob die Augenbrauen. »Was denn?«
»Ich …«
Weiter kam ich nicht. Die Tür ging auf und mein Vater erschien auf der Bildfläche.
»Oh, besetzt«, stellte er fest, blieb aber dennoch in der geöffneten Badezimmertür stehen. Irgendwie sah er so aus, als ob er noch etwas sagen wollte.
»Was ist?«, fragte Claudia.
Er holte Luft, erwiderte aber nichts, sondern machte einen Schritt auf mich zu und nahm mich in den Arm. »Ich bin so stolz auf dich, Anna«, murmelte er und hielt mich dabei ganz fest an sich gedrückt.
Ich wagte nicht, mich zu rühren. Und auch meine Mutter gab keinen Pieps von sich. Es war schon eine Weile her, dass mein Vater so etwas zu mir gesagt hatte. Wann er mich das letzte Mal in den Arm genommen hatte, daran konnte ich mich kaum noch erinnern. Als ich ein kleines Kind war, da hatte ich viel mit ihm gekuschelt. Meistens war ich dann einfach in seinen Armen eingeschlafen. Meine kleine Purzelmaus hatte er mich immer genannt.
Nach einer Weile löste ich mich vorsichtig aus der Umarmung.
»Ich muss mich fertig machen.« Ich deutete auf die kleine Schminktasche, die auf dem Waschtisch stand.
»Ja, natürlich«, beeilte sich Carsten zu sagen. »Ich wünsche dir ganz viel Spaß auf der Geburtstagsparty. Du wirst dich sicher amüsieren.«
Ich lächelte verkrampft. »Ja, sicher.«
Danach hatte ich nicht mehr den Mut, meinen Eltern die Wahrheit zu gestehen.
Gegen acht Uhr abends verließ ich das Haus. Als ich Jérôme an der Kreuzung stehen sah, machte mein Herz einen kleinen Hüpfer, und das schlechte Gewissen war mit einem Schlag verschwunden.
»Wow, du siehst toll aus«, begrüßte er mich mit leuchtenden Augen. Doch dann warf er einen Blick auf meine hochhackigen Schuhe und runzelte die Stirn. »Na ja, das könnte vielleicht etwas schwierig werden.«
»Warum? Muss ich gleich einen Acker überqueren?«
Jérôme grinste, griff nach meiner Hand und machte sich ohne ein weiteres Wort auf den Weg.
Ich zupfte ihm ungeduldig am Ärmel. »Jetzt verrat mir doch endlich, wo wir hingehen.«
Jérôme schüttelte den Kopf. »Auf keinen Fall. Sonst ist es ja keine Überraschung mehr.«
»Du bist ganz schön fies.« Ich verpasste ihm einen leichten Knuff auf den Oberarm. »Und was du da alles mit dir herumschleppst. Kannst du mir nicht wenigstens sagen, was in den Taschen ist?«
Jérôme lachte auf. »Du bist echt unmöglich. Ich habe noch nie jemanden kennengelernt, der so neugierig ist. Gib es auf, Anna. Ich verrate nichts.«
»Menno!« Ich zog einen Schmollmund.
Nach gut zwanzig Minuten Fußmarsch startete ich einen erneuten Versuch. »Ich kann nicht mehr. Und ich laufe auch nicht weiter, wenn du mir nicht auf der Stelle sagst, wo es hingeht«, verkündete ich.
Jérôme wandte sich zu mir um und strich sich eine Haarlocke aus der Stirn. »Kein Wunder. Warum hast du dir eigentlich solche Schuhe angezogen? Hab ich irgendetwas von Wiener Opernball gesagt?«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich wagte es nicht, ihm den wahren Grund für mein Outfit zu verraten.
»Ich wollte mich eben besonders hübsch für dich machen«, sagte ich.
Jérôme lächelte. »Du gefällst mir auch in quietschgrünen Gummistiefeln.«
Ich bekam weiche Knie, als er mir direkt in die Augen blickte, und mein Herz überschlug sich fast.
Nach weiteren zehn Minuten, die wir scheinbar einfach nur kreuz und quer durch den Wald geirrt waren, blieb
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