Solange du schläfst
überschlugen sich die Gedanken. Schließlich nahm ich Jérômes Hand und sah ihm fest in die Augen.
»Ich glaube das nicht. Sonst wäre ich jetzt nicht hier. Trotzdem wird mir ganz übel bei der Vorstellung, dass du bald wegziehen wirst.«
»Zwischen uns wird sich deshalb nichts ändern. Das verspreche ich dir.«
Ich versuchte zu lächeln, wollte ihm so gern glauben.
Als ob er meine Gedanken erraten hätte, sagte er leise: »Vertraust du mir?«
Ich nickte.
Jérôme lächelte mich an. »Das ist gut.« Doch dann wurde sein Gesicht ernst. »Am besten wird es sein, wenn ich dich jetzt nach Hause bringe, bevor deine Eltern sich noch mehr Sorgen machen.«
Ich holte tief Luft und schüttelte langsam den Kopf. »Nein.«
Jérôme sah mich fragend an. »Was
nein?
Denkst du, deine Eltern sorgen sich nicht?«
Erneut schüttelte ich den Kopf. »Ich will hierbleiben, Jérôme. Mit dir. Die ganze Nacht. Ich will jetzt nicht nach Hause. Da wartet ohnehin nur eine riesige Standpauke auf mich.«
»Ich weiß nicht …«, murmelte er.
»Ich aber. Stress machen meine Eltern so oder so. Egal ob ich jetzt nach Hause komme oder erst morgen früh.«
Jérôme seufzte leise. Dann zog er mich sanft an sich und küsste mich.
Ich legte meine Arme um seinen Hals und rückte näher an ihn heran. Jérômes Hände strichen zärtlich über meinen Rücken. Ich genoss seine weichen Lippen, den Geschmack vonMinze, der darauflag, spürte seinen Herzschlag, der schnell und hart gegen seine Brust dröhnte. In meinem Bauch begann es zu kribbeln, und ich wünschte mir, dass dieser Kuss niemals enden würde. Das mit uns durfte niemals vorbei sein.
Schließlich löste Jérôme sich vorsichtig und schaute mir in die Augen.
»Warum hast du mir nicht die Wahrheit gesagt?« Seine Stimme klang ganz rau.
Ich antwortete nicht sofort. Strich ihm erst eine widerspenstige Locke aus der Stirn und ließ meine Hand dann auf seiner Wange ruhen. »Weil ich einfach nur mit dir zusammen sein will. Nichts anderes möchte ich. Kannst du das denn nicht verstehen?«
Er nickte und zog mich erneut an sich.
So wollte ich bleiben. Am liebsten für immer. Jérômes Körper an meinem spüren, seinen warmen Atem in meinem Nacken, seinen Duft in der Nase.
»Okay, wir schlafen heute Nacht hier«, sagte er. »Und morgen früh begleite ich dich nach Hause, ja?«
Ich nickte erleichtert.
»Ich glaube, ich werde die ganze Nacht kein Auge zukriegen«, sagte ich nach einer Weile.
Jérome lehnte sich ein wenig zurück und sah mich grinsend an. »Keine Sorge, ich singe dich in den Schlaf.«
Er war schon wieder in der Lage, Witze zu machen, stellte ich erleichtert fest und hoffte, dass er mir meine kleine Notlüge wirklich nicht nachtrug.
Doch kaum war das eine Problem gelöst, tauchte schon das nächste auf: Ich musste mal. Und zwar dringend.
Oje, das passt kein bisschen zum Märchensee und dem dazugehörigen Prinzen, wenn die Prinzessin sich in die Büscheschlägt, schoss es mir durch den Kopf. Aber zum Glück war das hier ja auch kein Märchen. Das alles war real. Und der See war in Wirklichkeit nur ein kleiner Tümpel. Trotzdem war es wunderschön hier. Und trotzdem musste ich mal.
»Jérôme, ich-ich … muss kurz verschwinden.« Ich spürte, wie mir die Röte ins Gesicht schoss, und hoffte, dass er es im Schein der Kerzen nicht sah.
Jérôme ließ sich nichts anmerken. »Geh doch einfach hinter den großen Baum dort hinten. Ich drehe mich auch weg, versprochen!«
Ich nickte und hatte es dann sehr eilig zu verschwinden.
Als ich zurückkam, hatte Jérôme schon die Schlafsäcke aus der Tasche geholt und sie auf der Decke ausgebreitet. Gerade zog er seine Jeans aus und ich schaute verlegen zur Seite.
Und nun, was kommt nun?, schoss es mir leicht panisch durch den Kopf. Will er mit mir schlafen? Will ich mit
ihm
schlafen? Das erste Mal?
Mein
erstes Mal? Hier? Jetzt?
Das war eine verdammt schwere Entscheidung, fand ich. Einerseits sehnte ich mich danach, zu Jérôme in den Schlafsack zu schlüpfen und ihn ganz nah an meinem Körper zu spüren. Andererseits ging mir das alles ein bisschen zu schnell. Ich wusste nicht, ob ich schon für
mehr
bereit war. Mehr als kuscheln, schmusen und küssen. Ich musste erst darüber nachdenken, aber dafür blieb mir jetzt keine Zeit. Und ich wollte auf gar keinen Fall, dass Jérôme mich für verklemmt hielt.
Jérôme schlüpfte in den Schlafsack und zog den Reißverschluss zu. Er deutete mit dem Kopf auf den noch leeren Schlafsack
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