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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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und grüßten überfreundlich. Ich nutzte die Gelegenheit, um mich schnell an den beiden vorbeizuschieben.
    Als ich mich nach ein paar Metern umschaute und feststellte, dass sie mir nicht folgten, atmete ich erleichtert auf. So cool ich auch getan hatte, mit Konstantin und Konsorten war nicht zu spaßen. Die waren zu allem fähig, das wusste ich inzwischen.
    Es war schon dunkel, als ich wieder zu Hause ankam. Regenwasser rann aus meinen Haaren auf den Boden, hatte meine Schuhe durchweicht. Ich war nass bis auf die Haut und zitterte am ganzen Körper.
    So leise wie möglich schlich ich mich ins Haus und lief in mein Zimmer hinauf. Dort riss ich mir die nassen Klamotten vom Leib, trocknete meine Haare notdürftig mit einem alten T-Shirt, das noch irgendwo rumlag, und warf es dann achtlos auf den Boden. Ich fischte meine Jogginghose und einen Pullover aus dem Schrank, zog mich an und schlang meine feuchten Haare am Hinterkopf zu einem lockeren Knoten zusammen. Dann ließ ich mich aufs Bett fallen und starrte die weiß getünchte Zimmerdecke an, in der verzweifelten Hoffnung, dort oben die Antwort auf meine Frage zu finden.
    Wo bist du, Jérôme?
    Ich schloss die Augen, öffnete sie aber gleich wieder, weil mir augenblicklich schlecht wurde. Stöhnend richtete ich michauf, doch davon wurde die Übelkeit nur noch schlimmer und ich ließ mich wieder zurück in mein Kissen sinken. Eine Weile blieb ich so liegen, konzentrierte mich auf meine Atmung und schloss dann ein zweites Mal langsam die Lider.
    Sofort begann sich alles zu drehen, als ob ich in einem Karussell säße. Ich krallte meine Finger in die Bettdecke. Da waren sie wieder, die Bilder, die mich schon den ganzen Tag über verfolgten und die mich jetzt, da ich mich nicht mehr mit Suchen beschäftigen konnte, einholten. Ich sah alles ganz deutlich vor mir. Als hätte es sich in mein Gehirn eingebrannt. Als wäre es tatsächlich passiert.
    Jérôme lag am Boden. Blutüberströmt. Sein linkes Bein eigenartig verdreht, als ob es gar nicht mehr zu ihm gehörte. Das schwarze Haar fiel ihm in die Stirn und seine leicht geöffneten Lippen hatten ein fast unwirkliches Blau. Seine Wimpern warfen dunkle Schatten und seine Augenlider zuckten ein wenig. Er atmete flach und stockend, so als hätte er kaum noch Kraft dazu.
    Anna
.
    Was war das?
    Anna
.
    Jérôme rief nach mir.
    Anna
.
    Jetzt hörte ich es ganz deutlich.
    Im nächsten Moment sah ich mich selbst, wie ich neben ihm am Boden kniete. Ich hielt seine Hand und strich ihm über die blutverschmierte Wange.
    Jérôme öffnete blinzelnd die Augen. Er lächelte traurig. Seine Lippen bebten leicht, versuchten, Worte zu formen. Aber er war zu schwach. Ich konnte ihn nicht verstehen.
    Irgendwer schob mich grob zur Seite.
    »Mach Platz! Wir können dich hier nicht gebrauchen. Du bist uns im Weg!«, fuhr mich ein Sanitäter an.
    Ich sprang erschrocken auf. Spürte, wie mir jemand eine Decke um die Schultern legte. Mich wegführte und dabei beruhigend auf mich einredete.
    Ich schluchzte leise. Heiße Tränen rannen mir übers Gesicht und hinterließen helle Schlieren auf den Wangen. Mein ganzer Körper zitterte.
    Jérôme wurde auf eine Trage gelegt und in den Krankenwagen geschoben. Türen knallten. Motoren wurden angelassen. Zuckendes Blaulicht. Das heulende Geräusch der Sirene.
    Ich starrte dem Krankenwagen mit weit aufgerissenen Augen hinterher.
    Plötzlich ging ein Ruck durch meinen Körper. Abrupt warf ich die Decke von meinen Schultern und rannte ihnen hinterher. Ich rannte, so schnell ich konnte, aber der Abstand wurde immer größer. Meine Lungen brannten, das Herz hämmerte in meiner Brust. Ich stolperte, schlug der Länge nach auf den Boden. Doch ich nahm den Schmerz kaum wahr.
    Ich weinte noch immer hemmungslos, als mich jemand behutsam hochzog und nach Hause führte …

18.
    Um halb fünf morgens trieb es mich aus dem Bett. Ich brauchte einen Moment, um mich von den wirren Träumen zu lösen, die mich die Nacht über heimgesucht hatten.
    Albträume, nichts als Albträume. Alles ist gut. Jérôme geht es gut, versuchte ich, mir einzureden.
    Vielleicht war er in die Stadt gefahren? Zu einem Freund aus seiner Klasse? Ich hob den Kopf. Klar, so musste es sein. Dass ich nicht schon eher darauf gekommen war. Er hatte am Samstagabend ja zu mir gesagt, dass er noch was erledigen müsste. Bestimmt war er dann bei irgendwem versackt. Vielleicht bei diesem Timo? Verdammt, wenn ich doch bloß seine Adresse oder Telefonnummer

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