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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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heiße Stefanie Rüttger. Ich bin Ärztin. Du bist schwer verletzt worden und kommst gerade nach der Operation wieder zu dir. Kannst du dich an irgendetwas erinnern?«
    Jérôme wollte den Mund öffnen. Aber es gelang ihm einfach nicht.
    »Was willst du sagen? Versuch es noch einmal.«
    »I-ich … A-Anna …«
    Dann wurde wieder alles schwarz um ihn herum, und seine Gedanken entglitten ihm, bis nichts mehr da war. Nur noch Stille.
    Das Nächste, das Jérôme wahrnahm, war wieder das Licht. Es blendete ihn, obwohl er die Augen fest geschlossen hielt. Es kam von innen – ein heller Lichtkegel, der sich nach und nach in seinem ganzen Körper ausbreitete.
    Jérôme spürte, wie sich sein Brustkorb gleichmäßig hob und senkte. Er konnte an nichts denken. Sein Kopf war völlig leer. Ein Zittern ergriff ihn, wanderte von seinen Zehenspitzen nach oben. Die Vibration nahm zu, wurde immer heftiger, bis sich alles ganz taub anfühlte. Dann vernahm er einen sonderbar hellen Ton. Ein Summen. Es war in seinen Ohren, seinem Kopf – überall. Das Vibrieren ließ nach, ebbte schließlich ganzab. Er fühlte sich mit einem Mal schwerelos. Es war ihm, als würde er durch den Raum gleiten – sanft und leicht wie eine Feder.
    Jérôme öffnete die Augen, neigte den Kopf ein wenig zur Seite – und erschrak. Er sah sich selbst. Sein starrer Körper lag auf einem Bett. Kabel waren an ihm angeschlossen, unzählige medizinische Geräte standen blinkend und piepend um das Bett herum. Sein Kopf war verbunden – nur das Gesicht schaute daraus hervor. Es sah aus, als ob er schliefe. Den Rumpf und die Beine bedeckte eine dünne weiße Decke. Die Arme lagen darüber – der linke vom Handgelenk bis zur Schulter eingegipst, der rechte in einer offenen Schiene, aus der mehrere dünne Kabel ragten.
    Ich bin gestorben. Ich liege da unten und bin tot
.
    Die Feststellung schockierte ihn nicht. Es fühlte sich richtig an. Das helle Licht wärmte ihn, umhüllte ihn mit einer Welle aus Geborgenheit, wollte ihn mit sich nehmen. Leicht und warm, tröstend …
    Doch dann erschien plötzlich ein Gesicht vor ihm. Es lächelte ihn zärtlich an. Anna.
    Schlagartig war das leichte, schwerelose Gefühl fort und alles wurde dunkel. Pechschwarz, eng und beklemmend. Er wollte sich befreien, zurück in die tröstende Wärme gelangen. Doch gleichzeitig spürte er, dass das nicht möglich war. Da war etwas. Irgendetwas war da und hielt ihn zurück.

20.
    Eine halbe Stunde später fuhren wir im Auto Richtung Bremen. Meine Mutter am Steuer, ich hockte wie betäubt auf dem Beifahrersitz. Claudia redete ununterbrochen auf mich ein. Aber ihre Worte kamen nicht bei mir an. Zogen an mir vorbei, ohne Bedeutung.
    Irgendwann hielt Claudia das Auto an und stieg aus. Mir kam es vor, als ob wir tagelang unterwegs gewesen wären und dennoch nur einen kurzen Moment. Alles war so surreal – so absurd.
    »Was ist los, Anna?«, drang ihre Stimme zu mir durch. »Willst du nicht aussteigen?«
    Mühsam schnallte ich mich los – als müsste ich mich unter Wasser bewegen. Ich stieg aus und ging neben meiner Mutter her, jeder Schritt kostete mich unendlich viel Kraft. Ich wollte nichts sehen und nichts hören.
    »Frau Reineke, was ist mit Jérôme?«, hörte ich meine Mutter sagen.
    Ich hob den Blick und erschrak. Jérômes Tante stand nur wenige Meter von uns entfernt in der Eingangshalle des Krankenhauses,schwer auf ihren Mann gestützt. Tiefe Schatten lagen unter ihren rot unterlaufenen Augen.
    Plötzlich drehte sich alles um mich herum. Mein Magen krampfte sich zusammen, und ich hatte das Gefühl, mich erneut übergeben zu müssen. Ich biss die Zähne zusammen, ballte die Hände in den Taschen zu Fäusten.
    »Wir wollten gerade an die frische Luft«, sagte Jérômes Onkel abweisend. »Meine Frau ist mit den Nerven völlig am Ende.«
    Er wollte an uns vorbeigehen, doch seine Frau blieb stehen und schüttelte wie mechanisch den Kopf. »Erst schien alles gut zu werden«, murmelte sie starr vor sich hin blickend. »Die Ärztin meinte, er hätte einige Frakturen und Platzwunden, aber nichts davon sei lebensbedrohlich.« Sie brach ab, atmete bebend ein und aus. »Nur sein Kopf … ein schweres Hirntrauma, sagte sie. Deshalb wurde er auch noch in der Nacht nach Bremen verlegt … Wenn man ihn doch nur schon früher gefunden hätte …« Ihr Blick schwirrte durch den Raum, ohne irgendetwas zu fokussieren.
    Am liebsten hätte ich sie gepackt und die Worte aus ihr herausgeschüttelt.
    »Bitte,

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