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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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dass Konstantin dir das angetan hat. Und ich schwöre dir, ich werde dafür sorgen, dass er dafür verantwortlich gemacht wird. Ich finde heraus, was geschehen ist.« Sie atmete tief ein. »Ich bin mir sicher, dass es das Richtige ist. Solange du schläfst, Jérôme, so lange bleibt mir noch Zeit. Ich muss es schaffen, dass die Wahrheit ans Licht kommt, solange du bei mir bist. Dann wird alles gut, das spüre ich!«
    Das klang falsch, so entsetzlich falsch. »Warte, Anna!«, rief Jérôme gegen den aufziehenden Nebel, der ihn zu verschlucken drohte. »Nein!«
    »Ich liebe dich«, flüsterte sie, und sein Herz stolperte, weil er etwas wahrnahm, das tief in ihrer Stimme mitschwang wie ein lang gezogener verzweifelter Schrei.
    »Nein, du darfst nicht …«
    Er spürte die Gefahr. Sie war da, umspannte alles, drohte ihm die Luft abzuschnüren. Er musste Anna von ihrem Plan abbringen. Er musste ihr ein Zeichen geben, dass er sie gehört hatte. Sie daran hindern, einen großen Fehler zu begehen. Sie musste aufhören, um ihn zu kämpfen, musste ihn loslassen.
    Und dann war nur noch Stille.
    Dunkelheit.
    Kein Stern mehr am Himmel.
    Irgendwo weit weg hörte er Schritte und eine Tür, die ins Schloss fiel.
    Ein letztes Aufbäumen, der verzweifelte Versuch, sie aufzuhalten. Eine Hand, die sich bewegte. Nur der Ansatz einer Bewegung, kaum mehr als ein Zucken.
    Doch niemand war mehr da, der es sehen konnte, der sein Zeichen verstand …

26.
    Acht Tage waren seit dem Überfall auf Jérôme vergangen. Acht Tage zwischen Hoffen und Bangen, Zweifel und Zuversicht.
    Ich fröstelte leicht und vergrub meine Hände in Rashuns dichter Mähne. Der Regen hatte nachgelassen. Dafür war ein eisiger Wind aufgezogen.
    Rashun schnaubte und trabte gemächlich weiter durch den Wald. Ich steuerte ihn vorsichtig über einen letzten kleinen Hügel hinweg, dann hatten wir mein Ziel erreicht.
    Der Wind pfiff kräftig durch die Bäume, sodass sie sich bedrohlich hin und her bogen. Mir schien es eine Ewigkeit her zu sein, dass das Gras auf der Lichtung grün und weich gewesen war. Jetzt war alles verrottet und der Boden von matschigen Stellen übersät.
    Wie sehr kann man einen Menschen lieben?
, klangen plötzlich Sabines Worte in meinem Kopf wider, und ich dachte an das Gespräch zurück, das wir wenige Stunden zuvor im Krankenhaus geführt hatten.
    Jérômes Zustand hatte sich verschlechtert. Die Ärzte gaben ihm nicht mehr viel Zeit.
    »Wenn er stirbt, Anna, dann wird das vielleicht eine Erlösung für ihn sein«, hatte Sabine zu mir gesagt.
    Ich wollte das nicht hören. Wollte nicht hören, dass es für Jérôme vielleicht eine Qual war, in seinem Körper gefangen zu sein.
    »Was soll bitte schön Gutes an seinem Tod sein?«, hatte ich erwidert.
    Daraufhin hatte sie diesen Satz gesagt. »Wie sehr kann man einen Menschen lieben?«
    »Über alles! Mehr als sein eigenes Leben.«
    »Aber lieben heißt auch, loslassen können, wenn es für den anderen am besten ist.«
    Ich hatte es einfach nicht verstanden, wollte es auch gar nicht. Ich war mir sicher, dass ich Jérôme retten konnte. Warum sonst sollte diese besondere Verbindung zwischen uns bestehen, warum sollte ich sehen, was er gesehen hatte, fühlen, was er fühlte, kurz bevor er zusammengeschlagen worden war? Wenn ich nur endlich dieses blonde Mädchen ausfindig machen könnte!
    Zu Hause war ich sofort in den Pferdestall gelaufen und hatte Rashun gesattelt. Ich musste zu der Lichtung, um mich von Jérômes Existenz zu überzeugen. Davon, dass er immer noch da war. Jérôme schlief nur – tief und fest, und wenn ich alles richtig machte, wenn ich alles in Ordnung brachte, dann würde er wieder aufwachen.
    Aber es war ein Fehler gewesen hierherzukommen. Ich spürte, dass ich hier keinen Trost finden würde. Das war nicht mehr unser Ort.
    Die Kälte kroch mir in die Knochen. Ich wendete Rashun, der nun wie ausgewechselt schien. War er auf dem Hinweg noch bockig und eigensinnig gewesen, so scharrte er jetzt vorUngeduld mit dem Huf. Ich versuchte, ihn unter Kontrolle zu bringen, hielt die Zügel kurz und presste die Knie gegen seinen Körper. Mit zurückgelegten Ohren kämpfte er gegen meine Parade an und wollte sich seitwärts herauswinden. Es erforderte meine ganze Kraft, ihn daran zu hindern, schon im engen Dickicht des Waldes loszustürmen.
    Als wir schließlich den steilen Abhang hinter uns gebracht und den weichen, sandigen Waldweg erreicht hatten, lockerte ich die Zügel ein wenig.
    Sofort

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