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Solange du schläfst

Solange du schläfst

Titel: Solange du schläfst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Szillat
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so lange hellblonde Haare«, redete ich weiter.
    Wieder nickte Tanja. »Das war bestimmt Mathea.«
    Ich wusste es!, triumphierte ich innerlich.
    »Ah, okay, du kennst sie also«, sagte ich und konnte nur mit Mühe meine Aufregung verbergen. »Diese Mathea hatte nämlich eine Jacke an, die ich super fand, und ich würde gern wissen, woher sie die hat. Kannst du sie vielleicht mal fragen? Oder hast du zufällig ihre Handynummer, dann kann ich sie selbst fragen.«
    Tanja warf mir einen skeptischen Blick zu. Dann seufzte sie und kramte ihr Handy hervor. »Ich glaub dir zwar kein Wort, aber du wirst schon deine Gründe haben.«
    Erleichtert speicherte ich die Nummer ein, die Tanja mir diktierte.
    »Das ist wirklich supernett von dir.« Ich lächelte Tanja dankbar an.
    Und als sie mir daraufhin kurz die Hand auf die Schulter legte und erwiderte: »Kein Thema. Vielleicht magst du mir später ja mal verraten, was du wirklich von Mathea wolltest?«, da fühlte ich mich fast ein wenig schlecht, dass ich die ganze Zeit über so abweisend zu ihr gewesen war.
    Doch das konnte ich später in Ordnung bringen. Jetzt musste ich mir erst einmal einfallen lassen, wie ich Mathea zu einem Treffen überreden konnte.
    Am Nachmittag schaute ich wie jeden Tag im Krankenhaus vorbei. Als ich vor der Intensivstation stand, lächelte Schwester Gabi mir zu.
    »Du kommst gerade richtig«, sagte sie. »Ich habe Jérômes Kopfverband abgenommen und ihn ein bisschen frisch gemacht.«
    »Geht es ihm besser?«, fragte ich hoffnungsvoll.
    Für einen kurzen Moment ging ein Schatten über ihr Gesicht. »Das kann ich dir nicht sagen. Aber der Verband ist immerhin runter. Jetzt befindet sich nur noch ein Pflaster an seinem Hinterkopf. Du wirst staunen!«
    »Aber es geht ihm auch nicht schlechter, richtig?«, bohrte ich hartnäckig.
    Schwester Gabi seufzte. »Es tut mir leid, Anna, du weißt doch, dass ich dir nichts darüber sagen darf.«
    Ich nickte langsam. Dann fiel mir wieder ein, worum mich Jérômes Mitschülerin Nadja nach der Schule gebeten hatte. »Ein paar aus Jérômes Klasse würden ihn gern besuchen. Ist das möglich?«
    Schwester Gabi schüttelte den Kopf. »Da muss ich erst die Ärzte fragen.«
    »Aber ich darf doch auch zu ihm. Und Jérôme tut es sicher gut, wenn er viel Besuch bekommt«, erwiderte ich.
    »Bestimmt«, entgegnete Schwester Gabi. »Aber solange er noch auf der Intensivstation liegt, ist das leider nicht möglich. Dass du zu ihm darfst, ist der ausdrückliche Wunsch seiner Mutter.« Sie lächelte mich an. »Wart’s ab. Wenn Jérôme erst mal auf die Normalstation verlegt wird, können ihn seine Mitschüler gern besuchen kommen.«
    Ich trat in Jérômes Zimmer.
    Der Verband war ab, darauf war ich vorbereitet gewesen. Trotzdem traf mich sein Anblick mit voller Wucht. Sein schönes Gesicht, ganz schmal und blass, das dunkle wellige Haar, das sich von dem schneeweißen Kissen abhob. Seine Gesichtszügewaren entspannt, ich glaubte sogar, ein sanftes Lächeln zu erkennen.
    Alles an ihm wirkte friedlich. Jérôme sah so aus, als ob er schlafen und von etwas Wunderschönem träumen würde.
    Ich nahm den weißen Plastikhocker aus der Zimmerecke, stellte ihn neben Jérômes Bett und setzte mich. Vorsichtig ließ ich meine Finger über sein Gesicht gleiten. Über die Stirn, den Nasenrücken hinunter, über die Wange hoch zu den Schläfen.
    Wenn nicht noch ein Schlauch in seinen Hals geführt hätte, nichts hätte darauf hingewiesen, dass er schwer krank war – dass er im Koma lag.
    Ein Dornröschenschlaf, musste ich plötzlich denken und schmunzelte.
    Ich zog den Mundschutz runter und beugte mich zu ihm. »Diesmal küsst die Prinzessin den Prinzen wach«, flüsterte ich und legte meine Lippen sanft auf seinen Mund.
    »Wach auf, mein Prinz …«
    Ich öffnete die Augen wieder und betrachtete sein Gesicht, suchte darin nach einer Regung, nach einem Beweis, dass er mich verstanden hatte.
    Aber da war nichts.
    Eine Träne tropfte von meinem Gesicht und rann seine Wange hinab auf das Kopfkissen. Langsam richtete ich mich auf, zog den Mundschutz wieder hoch und legte meine Hand auf Jérômes Unterarm. So blieb ich eine Weile sitzen und schwieg.
    Später erzählte ich Jérôme davon, was ich heute in der Schule über das blonde Mädchen herausgefunden hatte.
    »Ich bin mir sicher, dass sie mir dabei helfen kann zu beweisen, was Konstantin dir angetan hat«, sagte ich. »Das ist es doch, was du mir mit diesen Bildern sagen wolltest,

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