Solange du schläfst
alarmiert. »Ist was mit Jérôme? Hat sie was gesagt?«
»Nein, nein«, beeilte meine Mutter sich, mich zu beruhigen. »Sein Zustand ist unverändert. Aber sie meinte, dass es wichtig sei.«
Sofort rannte ich in mein Zimmer und wählte Sabines Handynummer. Während es klingelte, sah ich, wie das Regenwasser von meinen Klamotten auf den Boden tropfte.
Endlich hob Jérômes Mutter ab. »Hallo, Anna, gut, dass du anrufst«, sagte sie atemlos. Und bevor ich auch nur etwas erwidernkonnte, fuhr sie fort: »Ich weiß, das hört sich jetzt verrückt an, aber kann es sein, dass du vor einer knappen halben Stunde wieder mit Jérôme in Kontakt getreten bist?«
Ich hatte das Gefühl, als ob mir das Blut in den Adern gefrieren würde.
»Ich … ich weiß nicht so genau«, stotterte ich ins Handy. »Da waren Bilder …« Ich brachte den Satz nicht zu Ende, weil meine Mutter plötzlich im Zimmer stand. Vorwurfsvoll guckte sie mich an. »Anna, du solltest dir doch erst einmal die nassen Klamotten ausziehen. Du holst dir ja den Tod!«, zischte sie mir zu.
Ich stöhnte auf. »Kann ich dich gleich noch mal anrufen?«
»Ich bin gerade auf dem Sprung«, erklärte Sabine. »Was hältst du davon, wenn wir uns in Mahlhausen bei meiner Schwester treffen? Ich bin in anderthalb Stunden da.«
»Okay, ich komme vorbei. Tschüss!«, sagte ich kurz entschlossen und legte auf.
»Willst du etwa noch mal weg?«, regte meine Mutter sich auf. »Draußen regnet es in Strömen und außerdem ist es fast dunkel!«
Ich verdrehte die Augen. Das konnte ja heiter werden!
Anderthalb Stunden später saß ich auf dem Rad und strampelte die schmale Landstraße Richtung Tönisberg entlang. Um mich herum war es stockfinster. Straßenlaternen gab es keine, nur der Schein meines Vorderlichts spendete ein bisschen Helligkeit.
Zunächst hatte mich meine Mutter nicht allein fahren lassen wollen. Aber als ich ihr versprach, mein Handy mitzunehmen und pünktlich um halb zehn zurück zu sein, hatte sie schließlich nachgegeben.
Doch als ich jetzt keuchend durch die Dunkelheit radelte, war mir schon ein bisschen mulmig zumute, obwohl es noch nicht einmal acht Uhr war.
Plötzlich blinkten in der Ferne zwei Scheinwerfer auf. Ein Auto kam mit großer Geschwindigkeit auf mich zu. Vom grellen Licht geblendet, legte ich schützend die Hand vor die Augen. Als es mit mir auf gleicher Höhe war, wurde der Wagen langsamer und blieb schließlich stehen.
Die Fahrertür wurde aufgerissen und ich wurde unsanft am Ärmel gepackt.
»Wen haben wir denn da?« Konstantins spöttische Stimme ließ mich vor Schreck zusammenzucken.
Darf der denn schon Auto fahren? Der ist doch erst siebzehn, schoss es mir durch den Kopf. Doch dann fiel mir ein, dass ich noch jemanden neben ihm im Auto hatte sitzen sehen. Bestimmt hatte er den Führerschein auf Probe und sein Vater oder seine Mutter waren bei ihm. Ich war also zum Glück nicht allein mit diesem Irren.
»Was soll das?«, fuhr ich ihn an. »Lass sofort meinen Arm los!«
Konstantin grinste nur. »Tja, ich hab dich ja gewarnt, dass du dich nicht mit mir anlegen sollst. Jetzt siehst du, was du davon hast.«
Ich versuchte, mich aus der Umklammerung zu befreien.
»Hallo«, rief ich in Richtung Auto, »können Sie mir mal Ihren Sohn vom Hals schaffen?!«
»Lass den Schwachsinn«, schnauzte Konstantin. »Und hör gefälligst auf, solche Lügen über mich zu verbreiten. Ich hab deinem Typen nicht ein Haar gekrümmt. Ist das klar?« Sein Griff wurde fester und er kam mit seinem Gesicht bedrohlich nahe an mich heran.
Ich erschauderte. »Du gestörtes Arschloch, lass mich sofort los!«
Hektisch blickte ich zum Auto hinüber. Aber die Beifahrertür blieb verschlossen. »Wenn du glaubst, dass du mir den Mund verbieten kannst, dann hast du dich geschnitten! Ich werde dafür sorgen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. Und dann wird das ganze Dorf erfahren, dass du Jérôme auf dem Gewissen hast!«
Konstantins Gesicht lief rot an und er schien vor Wut am ganzen Körper zu zittern. Ich bekam Angst, wollte mich losreißen, aber da legte er plötzlich seine Hände um meinen Hals und drückte zu.
Ich trat und schlug nach Leibeskräften um mich, versuchte, irgendwie Luft zu bekommen. Aber Konstantin war stärker.
Gerade als ich das Gefühl hatte, meine Beine würden mir wegsacken, lockerte Konstantin plötzlich seinen Griff und schubste mich achtlos beiseite. Ich fiel zu Boden und schnappte hustend und keuchend nach Luft. Ohne sich noch
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