Solange du schläfst
meine Schläge und Tritte gingen ins Leere.
Und dann drang ein kaltes Lachen an mein Ohr, das zu einem grässlichen Schrillen anschwoll.
Es dauerte eine Weile, ehe ich begriff, dass es mein Wecker war. Benommen tastete ich nach ihm und schaltete ihn aus. Ich ließ den Kopf zurück aufs Kissen sinken.
Das war nur ein Traum, versuchte ich, mich zu beruhigen.
In den ersten beiden Schulstunden war ich nur körperlich anwesend. Meine Gedanken kreisten wieder einmal um das blonde Mädchen. Was hatte ich nicht schon alles versucht, um sie zu finden! Ich hatte das ganze Dorf nach ihr abgesucht, den widerlichen Aschemann ausgefragt und hatte sogar Konstantin hinterherspioniert. Aber alles ohne Erfolg. Es schien so, als ob dieses Mädchen nur in meiner Fantasie existierte. Dabei spürte ich ganz deutlich, dass mir die Zeit davonrannte – dass sie Jérôme davonrannte. Ich musste sie einfach finden! Nur wie?
In der Pause verzog ich mich sofort in die Bibliothek. Ich wollte allein sein, um ungestört nachdenken zu können. Zum Glück war sie diesmal geöffnet, aber von Ruhe konnte keineRede sein. Ein paar Jungs hockten vor einem der Schul-PCs und unterhielten sich lautstark. Frau Kauert schien sich jedoch nicht daran zu stören, saß einfach hinter ihrem Schreibtisch und blätterte in einem Magazin.
Als ich gerade wieder gehen wollte, kam Tanja herein. Sie unterhielt sich mit einem Mädchen aus unserer Parallelklasse.
Mist, die hatte mir gerade noch gefehlt. Ich war Tanja in den letzten Tagen, so gut es ging, aus dem Weg gegangen. Wenn sie mich jetzt hier stehen sah, würde sie mich bestimmt direkt zutexten.
Ich verschwand schnell in den hintersten Gang und hoffte, dass sie mich noch nicht entdeckt hatte. Mit angehaltenem Atem spähte ich durch die Bücherregale hindurch. Die beiden kamen direkt auf mich zu. Erst im letzten Moment bogen sie in den Gang vor mir ab.
Das war knapp, dachte ich erleichtert.
»Gestern habe ich Mathea im Schützenhaus bei den Proben getroffen«, hörte ich Tanja sagen. »Sie ist total fertig wegen der Trennung von Konstantin.«
Ich wurde hellhörig. Sprach sie etwa von dem Konstantin?
»Warum?«, erwiderte das andere Mädchen. »Die soll froh sein, dass sie den Idioten los ist. So mies, wie der zu ihr war.«
»Ist sie ja auch«, sagte Tanja. »Aber er lässt sie einfach nicht in Ruhe. Sie hat mir erzählt, dass er ihr sogar ein paarmal aufgelauert und sie übel bedroht hat!«
»Echt krank«, stieß das Mädchen hervor.
Was Tanja darauf erwiderte, konnte ich nicht mehr verstehen, weil die Jungs am PC in lautes Gelächter ausbrachen.
Nachdenklich lehnte ich mich an die hintere Regalwand. Konstantin hatte also eine Freundin – oder besser gesagt, eine Ex-Freundin. Und er hatte sie mies behandelt …
Die Erkenntnis traf mich wie ein Stromschlag. Und wenn diese Mathea das Mädchen war, nach dem ich suchte? Das Mädchen mit den langen hellblonden Haaren?
Als Tanja und ihre Freundin die Bibliothek kurz darauf verließen, schoss ich in die Höhe und eilte hinter ihnen her.
»Hi, Tanja«, tippte ich ihr von hinten auf die Schulter.
Sie fuhr herum. »Ach, Anna, hast du mich erschreckt«, sagte sie leicht vorwurfsvoll. »Wo kommst du denn her?«
Ich lächelte sie entschuldigend an. »Sorry, das wollte ich nicht. Ich war im Gang hinter euch.«
»Aha«, machte Tanja und ging weiter.
Oje, dachte ich, da hab ich sie wohl einmal zu oft abgewimmelt.
Aber so leicht gab ich nicht auf. Schnell ging ich ihr hinterher und hakte mich sogar bei ihr unter.
Tanja blieb stehen und schaute mich verwundert an. »Ist alles in Ordnung bei dir?« Dann schlug sie sich mit der flachen Hand auf den Mund. »Oh, wie dumm von mir, dir so eine Frage zu stellen, wo du gerade so etwas Furchtbares wegen deines Freundes durchmachst.« Sie sah richtig betroffen aus.
»Schon okay«, murmelte ich mit belegter Stimme. »Hast du einen Moment Zeit für mich?«
Tanjas eben noch so betrübte Augen strahlten mich mit einem Mal an.
»Natürlich«, sagte sie aufgeregt. »Kathi, geh doch schon mal vor, ja?«, wandte sie sich an ihre Freundin.
Das Mädchen zuckte kurz mit den Schultern und zog ab.
»Also, was ist los?«, wollte Tanja wissen.
»Das hört sich jetzt vielleicht etwas komisch an«, begann ich. »Aber, na ja, ich habe gerade zufällig mitbekommen, wie ihr euch über Konstantin Krause unterhalten habt.«
Tanja nickte schweigend.
»Es ist nämlich so, ich habe ihn neulich mal mit einem Mädchen gesehen. Die hatte
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