Solange es hell ist
oder zweimal einen Antrag gemacht. Nun bat er mich erneut, ihn zu heiraten, und versprach, alles für meine Mutter zu tun, was getan werden konnte. Ich sagte ja – was hätte ich anderes tun können? Er hielt Wort. Die Operation wurde von der größten Kapazität unserer Zeit durchgeführt, und wir verbrachten den Winter in Ägypten. Das war vor einem Jahr. Meine Mutter ist wieder gesund und bei Kräften; und ich – ich soll nach den Feiertagen Mr Levering heiraten.«
»Ich verstehe«, sagte Poirot. »Und in der Zwischenzeit ist Monsieur Rogers älterer Bruder gestorben, und er ist nachhause gekommen – und findet seinen Traum zerstört. Gleichviel, Mademoiselle, Sie sind noch nicht verheiratet.«
»Eine Haworth bricht ihr Wort nicht, Monsieur Poirot«, sagte das junge Mädchen stolz.
Sie hatte kaum ausgeredet, als die Tür aufging und ein kräftiger Mann mit rötlicher Gesichtsfarbe, kleinen, verschlagenen Augen und kahlem Schädel auf der Schwelle erschien.
»Was bläst du hier drinnen Trübsal, Evelyn? Mach lieber einen Spaziergang mit mir.«
»Wie du meinst, Oscar.«
Sie stand lustlos auf. Poirot erhob sich ebenfalls und erkundigte sich höflich:
»Mademoiselle Levering ist noch immer indisponiert?«
»Ja, ich bedaure, sagen zu müssen, dass meine Schwester noch immer das Bett hüten muss. Zu schade, ausgerechnet an Weihnachten krank zu sein.«
»In der Tat«, stimmte ihm der Detektiv höflich zu.
Einige Minuten genügten Evelyn, um ihre Schneestiefel und warme Sachen anzuziehen, und dann gingen sie und ihr Verlobter hinaus in den verschneiten Park. Es war ein idealer Weihnachtstag, kalt und sonnig. Die übrigen Hausgäste waren mit der Errichtung des Schneemannes beschäftigt. Levering und Evelyn blieben stehen, um ihnen zuzusehen.
»Muss Liebe schön sein!«, rief Johnnie und warf einen Schneeball nach ihnen.
»Wie gefällt dir unser Werk, Evelyn?«, rief Jean. »Monsieur Hercule Poirot, der Meisterdetektiv.«
»Wartet, bis er erst seinen Schnurrbart hat!«, sagte Eric. »Nancy will sich dafür extra ein bisschen Haar abschneiden. Vivent les braves Be l ges! Päng, päng!«
»Einfach riesig, einen leibhaftigen Detektiv im Haus zu haben!«, meinte Charlie. »Jetzt müsste es nur noch einen Mord geben.«
»Ja, ja, ja!«, rief Jean und begann herumzutanzen. »Ich habe eine prima Idee. Lasst uns einen Mord begehen – einen vorgetäuschten natürlich. Und den Meisterdetektiv verkohlen. Kommt schon, das wird ein Heidenspaß!«
Fünf Stimmen begannen durcheinanderzureden.
»Wie soll das gehen?«
»Grässliches Gestöhne!«
»Nein, du Dummkopf, hier draußen.«
»Fußspuren im Schnee natürlich.«
»Jean im Nachthemd.«
»Man nimmt dazu rote Farbe.«
»Ja, auf die Hand – und klatscht sie sich dann auf den Kopf.«
»Wenn wir doch bloß einen Revolver hätten.«
»Glaubt mir, Vater und Tante Em werden nichts hören. Ihre Zimmer liegen auf der anderen Seite des Hauses.«
»Nein, er nimmt es bestimmt nicht übel; der Mann hat jede Menge Sinn für Humor.«
»Gut, aber was für Farbe? Nagellack?«
»Wir könnten uns welchen im Dorf besorgen.«
»Doch nicht an Weihnachten, du Blödmann.«
»Nein, Wasserfarbe. Karmesinrot.«
»Jean kann die Leiche sein.«
»Na und? Dann frierst du eben ein bisschen. Es ist ja nicht für lange.«
»Nein, nehmen wir lieber Nancy, die hat doch diesen schicken Pyjama.«
»Mal sehen, ob Graves weiß, wo es Farbe hat.«
Alle stürmten ins Haus.
»So selbstvergessen, Endicott?«, erkundigte sich Levering mit einem unangenehmen Lachen.
Roger kam mit einem Ruck zu sich. Er hatte wenig von dem gehört, was um ihn herum vorgegangen war.
»Ich habe nur nachgedacht«, sagte er ruhig.
»Nachgedacht?«
»Nachgedacht, warum eigentlich Monsieur Poirot hier ist.«
Levering schien bestürzt zu sein; doch in dem Moment ertönte der große Gong, und alle gingen hinein zum Weihnachtsessen. Im Esszimmer waren die Vorhänge zugezogen und die Lampen an, die den langen, mit Knallbonbons und anderen Dekorationen üppig geschmückten Tisch beleuchteten. Es war ein richtiges altmodisches Weihnachtsessen. Am einen Ende der Tafel saß der Hausherr, rotgesichtig und jovial; ihm gegenüber, am anderen Ende, saß seine Schwester. Poirot hatte zu Ehren des festlichen Anlasses eine rote Weste angelegt, und seine Rundlichkeit sowie die Art, wie er den Kopf schief hielt, ließen einen unwillkürlich an ein Rotkehlchen denken.
Der Hausherr tranchierte gekonnt, und alle machten sich an
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