Solange es hell ist
der jüngsten Erkrankung und dem rätselhaften Verschwinden der Autorin« entstanden. Am späten Abend des 3. Dezember 1926 verließ Agatha Christie ihr Haus in Berkshire. Am frühen Morgen des darauffolgenden Tages wurde ihr Auto, verlassen, in Newlands Corner, in der Nähe von Shere in Surrey aufgefunden. Polizisten und freiwillige Helfer suchten vergeblich die Umgebung ab, doch es vergingen eineinhalb Wochen, ehe mehreren Angestellten eines Hotels in Harrogate klar wurde, dass die Frau, die sich unter dem Namen Theresa Neele eingetragen hatte, in Wahrheit die vermisste Schriftstellerin war.
Nach Christies Rückkehr teilte ihr Mann der Presse mit, sie hätte »einen absolut vollständigen Gedächtnisverlust erlitten«, aber im Laufe der Jahre haben die Begleitumstände dieses relativ unbedeutenden Ereignisses in ihrem Leben Anlass zu Spekulationen gegeben. Noch während Christie vermisst wurde, erklärte Edgar Wallace, der berühmte Krimiautor, in einem Zeitungsartikel, sie müsse, sofern sie nicht tot sei, »am Leben und im Vollbesitz ihrer geistigen Fähigkeiten sein und sich vermutlich in London aufhalten. Mit anderen Worten«, fuhr Wallace fort, »ihre eigentliche Absicht scheint es gewesen zu sein, jemandem ›eins auszuwischen‹.« Neele war der Nachname der Frau, die später Archibald Christies zweite Ehefrau werden sollte, und es wurde suggeriert, dass Agatha Christie, nachdem sie ihren Wagen hatte stehenlassen, um ihren Mann in Verlegenheit zu bringen, die Nacht vom 3. auf den 4. Dezember bei Freunden in London verbrachte, bevor sie nach Harrogate reiste. Es wurde sogar gemunkelt, ihr Verschwinden sei eine Art bizarrer Publicity-Gag gewesen. Obgleich einige Aspekte des Vorfalls weiterhin unklar sind, gibt es nichts, was die diversen anderen »Erklärungen« erhärten würde, die folglich kaum mehr als Spekulation sind.
Aufregung an Weihnachten
Christmas Adventure
D ie großen Holzscheite prasselten fröhlich in dem mächtigen offenen Kamin, doch ihr Prasseln wurde von dem Stimmengewirr der sechs jungen Leute übertönt, die lebhaft miteinander schwatzten. Die Jugend unter den Hausgästen hatte offenbar ihren Spaß an diesem Weihnachtstag.
Die alte Miss Endicott, den meisten Anwesenden als Tante Emily bekannt, lächelte nachsichtig über das muntere Geplapper.
»Jede Wette, dass du keine sechs Törtchen essen kannst, Jean.«
»Kann ich doch.«
»Nein, kannst du nicht.«
»Du bekommst die Münze aus dem Trifle, wenn du es schaffst.«
»Ja, und drei Portionen Trifle und zwei Portionen Plumpudding.«
»Ich hoffe nur, dass der Plumpudding gut ist«, sagte Miss Endicott besorgt. »Er wurde erst vor drei Tagen gemacht. Dabei sollten die Plumpuddings für Weihnachten lange vor dem Fest zubereitet werden. Ich weiß noch, dass ich als Kind immer dachte, die letzte Kollekte vor dem ersten Adventsonntag – das Gebet ›Rühr an, o Herr, wir bitten dich‹ – bezöge sich auf das Rühren der Weihnachtspuddings!«
Es herrschte höfliche Stille, während Miss Endicott sprach. Nicht, weil sich die jungen Leute auch nur im Mindesten für ihre Reminiszenzen an frühere Zeiten interessiert hätten, sondern weil sie fanden, dass es der Anstand gebot, ihrer Gastgeberin Aufmerksamkeit zu zollen. Sobald sie geendet hatte, setzte das laute Stimmengewirr wieder ein. Miss Endicott seufzte und warf, wie auf der Suche nach einem Gleichgesinnten, einen Blick auf das einzige Mitglied der Gesellschaft, das ihr an Jahren nahekam – einen kleinen Mann mit einem merkwürdigen eiförmigen Kopf und einem stattlichen kräftigen Schnurrbart. Junge Leute waren auch nicht mehr, was sie früher waren, dachte Miss Endicott. In der guten alten Zeit hätten sie stumm und respektvoll den weisen Worten gelauscht, die die Älteren wie Perlen vor ihnen ausbreiteten. Statt dessen nun dieses alberne Geplapper, das noch dazu meist völlig unverständlich war. Gleichviel, es waren liebe Kinder! Ihre Augen wurden sanft, als sie sie der Reihe nach betrachtete – die hochgewachsene, sommersprossige Jean; die kleine Nancy Cardell, dunkelhaarig und von zigeunerhafter Schönheit; die beiden jüngeren Buben, Johnnie und Eric, die für die Feiertage aus dem Internat nachhause gekommen waren, und ihr Freund Charlie Pease; und die schöne blonde Evelyn Haworth… Bei dem Gedanken an letztere zogen sich ihre Brauen ein wenig zusammen, und ihre Augen wanderten hinüber zu ihrem ältesten Neffen, Roger, der mürrisch schweigend dasaß, ohne sich an
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