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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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ihn nur noch dümmer und hoffnungsloser dastehen lassen. Aus demselben Grund konnte er auch nicht zugeben, dass er es nicht fertigbrachte, sich mit Essen und Trinken zu mäßigen, und dass Sport für ihn ein Ding der Unmöglichkeit war. Er konnte seinen inneren Schweinehund nicht überwinden. Eher würde er sterben, als dass er mit Joggen anfing oder in einem Gemeindesaal mit anderen Versagern im Trainingsanzug zu Afrorhythmen herumhüpfte.
    Als Beard vage versprach, im Lauf des Monats wiederzukommen, versuchte Doktor Parks ihn auf einen Termin festzunageln. Dienstag, der dreiundzwanzigste, oder Donnerstag, der fünfundzwanzigste, einen von beiden müsse er nehmen. Beard zögerte, Parks beharrte darauf, als würden demnächst in seinem eigenen Blut freigesetzte Krebszellen herumschwimmen, auf der Suche nach einer neuen Bleibe, einem Lymphknoten vielleicht, wo sie sich ansiedeln könnten. Beard nahm das spätere Datum: Er wusste, er konnte jederzeit Parks' Sekretärin anrufen und den Termin absagen, ohne sich Vorwürfe anhören zu müssen.
    Hammer hatte inzwischen mit seinem fürchterlichen Gepfeife aufgehört und fuhr langsam durch die winzige Ortschaft Cotton City; mittlerweile sehnte sich Beard geradezu danach, in irgendeiner obskuren Klinik in Dallas unterzutauchen. Doch er wusste, er hatte nicht die Kraft, davonzulaufen. Die Vorkehrungen für morgen hatten eine Dynamik entwickelt, die er nicht mehr stoppen konnte, sehnte er doch nichts so sehr herbei wie den großen Triumph am morgigen Abend, wenn das kleine Lordsburg mit seinen Neonreklamen und Fastfoodlokalen und viel zu vielen Klimaanlagen auf dem Papier kohlendioxidneutral wurde und die amerikanische Zivilisation, Vorbild der ganzen Welt, ohne die lästige Nebenwirkung der Erderwärmung weitermachen konnte wie zuvor. Die acht Jahre lange Reise vom allmählichen Entziffern der Aldous-Akte über erste Experimente, Verbesserungen, Durchbrüche, Konstruktionszeichnungen bis hin zu Feldversuchen musste zu ihrem krönenden Abschluss gebracht werden. Tarpin konnte ihn mal.
    Beard drehte am Radio, um die Nachrichten zur vollen Stunde zu hören, und da kam es auch schon, ein markiges Interview mit einer von Hammers pr -Frauen, die erklärte, Sonnenlicht und Wasser würden als Erstes Lordsburg mit Strom versorgen und eines Tages den ganzen Planeten.
    Hammer stieß einen Freudenschrei aus. »Wunderbar! Ich hab die Kleine gut gebrieft!«
    Er und Beard hatten weder irgendjemand anderem noch einander jemals eingestanden, dass nicht sie allein Lordsburg mit Strom beliefern würden. Sie würden nur in etwa so viele Kilowattstunden an den örtlichen Energieversorger verkaufen, wie das Städtchen im Jahr durchschnittlich verbrauchte. Die Elektronen aus ihrer revolutionären Anlage würden gemeinsam mit dem Rest des Stroms ununterscheidbar durch das Netz fließen.
    »Das lassen wir uns nicht entgehen«, sagte der Sprecher. »Am Highway 90, drei Meilen nach der Abzweigung von der Route 70. Morgen Abend um sechs beginnt der Countdown. Seid mit dabei, wenn Lordsburg an die Weltspitze kommt!«
    Dann nahmen sie die Interstate Richtung Osten, umfuhren das Stadtzentrum in nördlicher Richtung und bogen ein paar Meilen weiter rechter Hand auf die Straße nach Silver City ab. Wenig später passierten sie eine kleine Anhöhe - und das Gelände lag vor ihnen. Beard hatte es in den vergangenen Monaten oft gesehen, alles stand bereit, die Probeläufe waren nach anfänglichen Schwierigkeiten erfolgreich abgeschlossen. Doch als es an diesem Nachmittag zu seinen Füßen lag, war er vor Stolz geradezu euphorisch. Hammer, der das spürte, fuhr langsamer.
    »Na, Alter«, sagte er, indem er seine eigene Ergriffenheit mit einem kumpelhaften Tonfall zu überspielen versuchte. »Wird einem da nicht echt warm ums Herz?«
    Die dreiundzwanzig großen, geneigten Paneele schimmerten matt in der niederbrennenden Sonne. Um sie herum ein Gewirr von Rohren und Ventilen. Hinter ihnen die Tanks für den komprimierten Wasserstoff und Sauerstoff, neben ihnen aus Hohlblockstein errichtete Schuppen, in denen der Brennstoffzellengenerator und die Katalysatoren untergebracht waren. Starkstromleitungen an neuen Masten führten zu uralten Holzmasten, die in einer endlosen, windschiefen Reihe in die Weiten der Halbwüste führten. Hinter den Tanks befand sich die Pumpstation für das Grundwasser und jenseits davon ein gepflegtes Backsteingebäude für die Computer.
    Neu waren die Heerscharen von Menschen, Bauarbeiter,

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