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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Wohingegen er sich längst wieder wohlig in sein mit niemandem teilbares Innerstes zurückgezogen hatte, in jenen geheimen Winkel, der - war das lächerlich? - dem fötalen Zustand am nächsten kam. Vor zehn Minuten hatte er geglaubt, er gehöre ihr. Jetzt erstickte er fast bei der Vorstel lung, dass er irgendwem gehören sollte, dass irgendwer irgendwem gehören könnte.
    Gereizt hielt er ihr vor: »Du hast Melissa angerufen.«
    »Ja, sicher. Mehr als einmal.«
    »Und hast ihr erzählt, wir würden heiraten?«
    »Allerdines .«
    Sie war immer noch nackt, hatte aber von irgendwoher einen Kaugummi hervorgeholt - wenn sie sich liebten, kaute sie nie - und setzte ihre Kiefer langsam kreisend in Bewegung. Dabei sah sie gutmütig grinsend auf ihn herunter und wartete amüsiert auf seinen Ausbruch.
    »Woher hast du die Nummer?« Eine belanglose Frage - ihre Munterkeit hatte ihn aus dem Konzept gebracht.
    »Michael! Du hast sie von mir zu Hause aus angerufen, als ich arbeiten war. Meinst du, das steht nicht auf meiner Telefonrechnung?«
    Er wollte etwas sagen, aber sie packte ihn lachend am Ellbogen.
    »Weißt du, was passiert ist, als ich die Nummer zum ersten Mal angerufen habe? Ein kleines Kind meldet sich, und nur um sicherzugehen, frage ich: »Schätzchen, kann ich mit deinem Daddy sprechen?< Und weißt du, was sie gesagt hat?«
    »Nein.«
    »Ganz ernst: >Mein Daddy ist in Lordsburg und rettet die Welt.< Ist das nicht süß?«
    Ausgeschlossen, ein solches Gespräch nackt zu führen. Er ging ins Bad und holte einen Morgenmantel, und als er zurückkam, war sie zu seiner Überraschung schon dabei, sich anzuziehen. Sie schien immer noch gut gelaunt. Er setzte sich in einen Sessel neben dem Bett und sah zu, wie sie in ihren Rock stieg und sich ächzend bückte, um ihre Schuhe zuzubinden.
    Schließlich sagte er: »Darlene, damit das klar ist. Wir werden nicht heiraten.«
    Sie steckte sich vor einem Spiegel neben dem Fernseher die Haare hoch und antwortete: »Ich muss nach Hause, mich duschen und umziehen. Heute Abend helfe ich für eine Stunde in der Schule aus. Aber keine Sorge. Nicky macht in zehn Minuten in der Apotheke Schluss und kann mich im Auto mitnehmen.«
    Als sie fertig war, setzte sie sich auf die Bettkante. Nachdenklich lächelnd tätschelte sie sein Knie. Schon regte sich Bedauern in ihm, dass sie ihn jetzt verlassen würde. War es Eigenliebe, dieses Verlangen nach einer so massigen Frau? Sein Leben war eine stetig ansteigende Kurve gewesen, von Maisie zu Darlene.
    Sie sagte: »Hör mir zu. Einige Dinge solltest du wissen. Erstens, du bist kein ganz und gar guter Mensch, ich auch nicht. Zweitens, ich liebe dich. Drittens, ich habe immer gedacht, du bist verheiratet. Du hast nicht davon gesprochen, ich habe nicht danach gefragt. Wir sind beide erwachsen. Viertens, als ich mit Melissa telefoniert habe, wurde mir klar, dass es keine Mrs Beard gibt. Fünftens, wenn wir uns geliebt haben, hast du mir mehrfach gesagt, dass du mich heiraten willst. Sechstens, ich habe mich entschieden. Wir heiraten. Du kannst dich auf den Kopf stellen, aber mein Entschluss steht fest. Ich kriege dich. Flucht zwecklos, Mister Nobelpreisträger. Die Kutsche ist abgefahren, und du sitzt drin!«
    Wie fröhlich sie war, wie hoffnungslos optimistisch und gut gelaunt. Wie amerikanisch. Er lachte, und dann lachte auch sie. Sie küssten sich, küssten sich heftig.
    Er sagte: »Du bist eine Wucht, aber ich werde dich nicht heiraten. Und auch sonst keine.«
    Sie stand auf und nahm ihre Handtasche. »Gut, aber ich heirate dich. «
    »Bleib noch ein bisschen. Ich fahr dich nach Hause.«
    »Nichts da. Ich bin schon angezogen. Ich will nicht zu spät kommen. Ich kenne dich.«
    An der Tür warf sie ihm eine Kusshand zu, dann war sie weg.

    Er blieb in dem Sessel sitzen und überlegte, ob er Hammer anrufen und sich erkundigen sollte, wie das Treffen mit dem Anwalt gelaufen war. Das Gespräch würde ihm leichter fallen, fand er, wenn er vorher erst einmal duschte. Oder den Fernseher anmachte und kontrollierte, ob ihr Pilotprojekt in den Lokalnachrichten auch ausreichend gewürdigt wurde - doch die Fernbedienung lag unter einem Kopfkissen, unter einem von vielen am anderen Ende des Betts, und er hatte keine Lust, sich zu bewegen, noch nicht. Träge malte er sich aus, wie schön es wäre, wie im Krankenhaus auf einer Rolltrage sanft in ein anderes Zimmer geschoben zu werden, wo ein frischgemachtes Bett stand, seine Kleider nicht vom Stuhl herunterhingen

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