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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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noch immer nicht fertig. Ein sehr alter Mann mit Schnee im Bart und einer feuchten, unangezündeten Zigarette im Mundwinkel kam herein, schnappte sich leise schimpfend Beards Gepäck, legte es auf den Anhänger eines Motorschlittens und fuhr los. Die Kellnerin und Jan waren verschwunden, Beard stand völlig allein im Foyer. Das hatte er in längst vergessenen Schulzeiten auch schon erlebt, nicht nur das Zuspätkommen, sondern auch das Gefühl, ein ahnungsloser, erbärmlicher Wicht zu sein, während seltsamerweise alle Übrigen Bescheid wussten, als hätten sie sich gegen ihn verbündet. Immer der Letzte, der dicke Beard, beim Mannschaftssport nicht zu gebrauchen. Diese Erinnerungen machten ihn noch unbeholfener, noch unentschlossener. Obwohl er bereits viele Schichten Skikleidung anhatte, sollte er nun auch noch in diesen zusätzlichen Schutzanzug steigen und sogar noch ein zweites Paar Stiefel über seine eigenen ziehen. Es gab Innenhandschuhe und riesige Außenhandschuhe, eine dicke Biwakmütze aus einer Art Teppichunterlage, die er über seiner eigenen Skimütze tragen sollte, und schließlich eine Schutzbrille und einen Motorradhelm.
    Er schaffte es in den Anzug - das Ding wog mindestens zwanzig Pfund -, zog die staubige Vlieshaube über, zwängte den Helm auf seinen Kopf, fuhr in Innen- und Außenhandschuhe, erkannte, dass er mit diesen Handschuhen unmöglich die Schutzbrille aufsetzen konnte, zog die Handschuhe wieder aus, spannte die Schutzbrille vor die Augen, zog die Innen- und Außenhandschuhe an, und dann fiel ihm ein, dass seine eigene Skibrille, seine Handschuhe, der Flachmann und der Fettstift für die Lippen, die neben ihm auf dem Stuhl lagen, auch noch irgendwie verstaut werden mussten. Er zog Innen- und Außenhandschuhe wieder aus, stopfte nach langem Kampf mit dem Reißverschluss des Außenanzugs den ganzen Kram in eine Innentasche seiner Jacke, zog Innen- und Außenhandschuhe wieder an und stellte fest, dass in der feuchtwarmen Luft des Foyers und durch seine schwitzende Ungeduld die Schutzbrille beschlug. Erhitzt und erschöpft, eine unangenehme Kombination, stand er zornbebend auf, drehte sich um und stieß mit lautem Krachen gegen einen Balken oder eine Säule, was genau, das konnte er nicht erkennen. Welch ein Glück, dass der Nobelpreisträger einen Helm aufhatte. Kein Schaden an seinem Schädel, aber das linke Glas seiner Schutzbrille hatte jetzt einen diagonal verlaufenden Sprung, durch den das mattgelbe Licht im Foyer ihm nur noch gebrochen, als Streulicht ins Auge fiel. Um Helm, Biwakmütze und Schutzbrille abzunehmen und das Kondenswasser abzuwischen, musste er alle vier Handschuhe ausziehen, und das war mit seinen längst völlig verschwitzten Händen kein Kinderspiel. Als er die Schutzbrille endlich abgenommen hatte, lag es nur nahe, dass er damit zu dem fast abgeräumten Frühstückstisch ging und eine benutzte, aber nicht allzu benutzte Papierserviette nahm, um die Gläser zu putzen. Vielleicht war es Butter, vielleicht war es Haferbrei oder Marmelade, womit er das schon zerkratzte Plexiglas beschmierte, aber wenigstens war es nicht mehr beschlagen, und nachdem er die Biwakmütze übergestreift hatte, schnallte er relativ problemlos die Schutzbrille um den Helm, rückte sie zurecht, zog die vier Handschuhe wieder an und erhob sich, endlich bereit, den Elementen zu trotzen.
    Die neue Frühstücksbeschichtung schränkte seine Sicht ziemlich ein, sonst hätte er die Stiefel unter seinem Stuhl früher bemerkt. Also runter mit den Handschuhen - nur nicht die Geduld verlieren -, aber nach einigem Gefummel mit den Schnürbändern kam er zu dem Schluss, dass er ohne die Schutzbrille besser sehen würde. Als er wieder klare Sicht hatte, bestätigte sich seine Vermutung: Die Überstiefel waren viel zu klein, mindestens drei Größen, und die Erkenntnis, dass er hier nicht der einzige Trottel war, tröstete ihn ein wenig. Unverzagt beschloss er, es noch ein letztes Mal zu versuchen, und während er also aufs Neue seinen in einem Wanderstiefel steckenden Fuß in einen pelzgefütterten Schneeschuh zu rammen versuchte, kam mit einem Schwall eiskalter Luft Jan ins Foyer gestapft.
    »Mein Gott, spinnst du oder was?«
    Der Elch von einem Mann ging vor ihm in die Knie, rupfte ihm ungeduldig die Wanderstiefel von den Füßen, knotete sie an den Schnürsenkeln zusammen und hängte sie Beard um den Hals.
    »Versuch's jetzt mal.«
    Seine Füße glitten in die Schneeschuhe, Jan schnürte sie hastig zu und

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