Solar
fest, in ganzer Länge dort angefroren, wie nur lebendiges Fleisch sich mit eiskaltem Metall verbinden kann. Fassungslos besah er die Bescherung, und weitere kostbare Sekunden verrannen. Als er schließlich vorsichtig daran zupfte, durchfuhr ihn reißender Schmerz. Und Schmerzen litt er ohnehin schon von der Kälte.
Er blieb mit gespreizten Beinen vor der Felswand stehen. Ausgeschlossen - wie man es mit einem Heftpflaster macht -, das Ding mit einem Ruck abzureißen. Er hatte einmal von einem amerikanischen Wanderer gelesen, der sich in menschenleerer Wildnis einen Arm hinter einem Felsen eingeklemmt hatte und nur freigekommen war, weil er sich mit seinem Taschenmesser den Ellbogen durchgesägt hatte. Solcher Eifer war Beard fremd, außerdem hatte man von Ellbogen, Unterarm und Hand immerhin zwei Exemplare, da konnte man notfalls auf eins verzichten. Zitternd stand er im tobenden Polarwind und beobachtete entsetzt, wie sein Penis zusammenschrumpfte und sich noch fester an den Reißverschluss schmiegte. Ja er wurde nicht nur kleiner, jetzt wurde er auch noch weiß. Nicht weiß wie ein leeres Blatt Papier, sondern silbrig glänzend wie eine Christbaumkugel.
Panik stieg in ihm auf, aber um Hilfe rufen kam nicht in Frage. Gegen die aufkommende Panik half es auch nicht gerade, dass sein Kopf in einer erstickenden Vlieshaube, einem massiven Helm sowie einer Schutzbrille feststeckte, durch die er so gut wie nichts mehr sehen konnte. Mangels anderer Möglichkeiten bedeckte er seine Blöße mit einer Hand - einer Hand, die einem Eisklotz glich. Er kam sich immer schwerfälliger vor, er fühlte sich schläfrig, wie es bei Leuten in extremer Kälte angeblich vorkommen soll, seine Gedanken schlingerten in Zeitlupe. Er sah Jock Braby im Fernsehen mit nachsichtigem Lächeln einen Nachruf sprechen. Er wollte sich mit eigenen Augen von der globalen Erwärmung überzeugen. Unsinn, natürlich würde er überleben. Allerdings ohne Penis. Ein gefundenes Fressen für seine Exfrauen, besonders Patrice. Aber er würde niemandem davon erzählen. Er würde still und leise mit seinem Geheimnis leben. Er würde ins Kloster gehen, gute Werke tun, nach armen Leuten sehen. Bibbernd stellte er sich zum ersten Mal in seinem Leben die Frage, ob das Dasein der Menschen bestimmten Zwecken und Zielen folgte, ob es so etwas wie griechische Götter gab, die mit viel Sinn für Ironie auf Rache sannen und rabiate Strafen verhängten.
Aber der Vernunftmensch in Beard war nicht totzukriegen. Er hatte ein Problem, also sollte er versuchen, es zu lösen. Ergeben griff er in die Innentasche seiner Jacke. Nach seiner Dissertation hatte er eine Zeitlang in der Tieftemperaturforschung gearbeitet; die Grundkenntnisse aber besaß der dicke Beard, in Sport eine Niete, in Physik ein Streber, schon seit seiner Schulzeit. Reiner Äthylalkohol gefror bei minus einhundertvierzehn Grad, das wusste jeder. Vierzigprozentiger Schnaps hatte demnach einen Gefrierpunkt von ... minus fünfundvierzig Komma sechs Grad. Endlich hielt er den Flachmann in der Hand, schraubte mühsam den Deckel auf und brachte sein Trankopfer dar. Binnen Sekunden war er frei.
Als er ihn wieder verstaute, war sein bedauernswerter Schwanz hart wie Eis, aber nicht mehr weiß. Und er brannte: ein schauderhaft stechender Schmerz, der ihn beim Anziehen seiner Sachen beträchtlich lähmte. Als nach zehn Minuten endlich alles saß, stolperte er dorthin zurück, wo sein Führer auf ihn wartete.
»Tut mir leid. Die Natur hat gerufen.«
Jan packte ihn am Ellbogen. »Du siehst schlecht aus, Mann. Hier, die Stiefel sind dir vom Hals gefallen. Wir nehmen meine Maschine. Deine holen wir später.«
Er ließ sich zu Jans Motorschlitten führen, und dort ereilte ihn das Verhängnis. Als er ein Bein hob, um sich auf den Sitz hinter seinem Führer zu schwingen, spürte er - ja hörte er beinahe - ein furchtbares Reißen in seinen Lenden, ein Knacken, ein Bersten wie eine Geburt, das Kalben eines Gletschers. Er schrie auf, Jan drehte sich um, stützte ihn, half ihm, sich zu setzen.
»Nur noch eine Stunde. Keine Sorge.«
Etwas Kaltes und Hartes war von Beards Lenden abgefallen und durch die lange Unterhose nach unten gerutscht; jetzt steckte es oberhalb seiner Kniescheibe fest. Er fuhr sich mit einer Hand zwischen die Beine - da war nichts. Er legte die Hand aufs Knie, und das entsetzliche, keine fünf Zentimeter lange Ding war steif wie ein Knochen. Es fühlte sich nicht länger an wie ein Teil von ihm. Jan trat
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