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Solar

Solar

Titel: Solar Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian McEwan
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Braten.
    Schließlich flüsterte sie: »Nein.«
    »Du hast die Pille abgesetzt?«
    »Schon die letzten drei Mal, als wir uns geliebt haben.«
    »Das hättest du mir sagen sollen.«
    »Dann hättest du nicht mitgemacht.«
    »Ja, allerdings. Du kennst meine Einstellung.«
    »Und du kennst meine.«
    Sein Glas war schon wieder leer. Er ging an ihr vorbei, nahm die Flasche und schenkte sich nach. Nun hatten sie fast die ganze Küche zwischen sich, und es fiel ihm leichter, mit einer gewissen Schärfe zu sagen: »Du hast mich also hintergangen.«
    Sie kam wieder auf ihn zu. Es würde schwierig werden, sie aus ihrer verführerischen Ruhe zu bringen. Ihm war nach einem heftigen Streit zumute, Schluss mit dem blöden Zartgefühl. Reinen Tisch machen. Aber sie näherte sich ihm schon wieder so zutraulich, und er war immer noch erregt, er konnte nichts dagegen machen, und er sah, sie wusste es, und das erregte ihn nur noch mehr. Er stand neben ihrer kläglichen Hausbar - ein Amaretto, ein fast leerer Johnnie Walker, ein Baileys auf einem Tablett - und sah ihr Gesicht von dort in anderem Licht: Offenbar taten die Hormone des ersten Schwangerschaftsdrittels ihre Wirkung, so fein und zart, wie ihre Haut erblüht war. Jetzt schon? Er hatte keine Ahnung, aber noch nie war sie ihm so hübsch und jung erschienen. Als sie vor ihm stehen blieb, musste er sich selbst daran erinnern, dass er ihr soeben noch zu Recht Betrug vorgeworfen hatte. Er durfte sich nicht von ihr verführen lassen. Sie hatte ihn hintergangen. Andererseits könnte eine sexuelle Entladung ihm Erleichterung verschaffen, dann würde er klarer denken und seine lebensverneinenden Argumente mit größerer Bestimmtheit vorbringen können.
    Sie sagte: »Ich habe viele Jahre mit dem Warten auf den richtigen Mann als Vater für mein Baby verloren. Eine Menge Idioten und Mistkerle haben mir die Zeit gestohlen - meine Schuld, aber auch ihre. Für mich bist du der richtige Mann, Michael, aber wenn du anderer Meinung bist, spielt das keine Rolle. Ich ziehe es trotzdem durch. Es wird traurig sein ohne dich, aber nicht so traurig, als wenn ich gar nichts hätte. Du musst dich weder heute Abend noch nächsten Monat entscheiden. Du kannst nein sagen und es dir später immer noch anders überlegen. Vielleicht überlegst du es dir anders, wenn du das Baby siehst. So etwas passiert. Aber eins weiß ich genau - ich werde mich nicht mit dir streiten. Wenn du absolut dagegen bist, kannst du jederzeit gehen. Und jederzeit zurückkommen.«
    »Ich werde fast siebzig sein, wenn das Kind gerade mal zehn ist. Was soll das bringen?«
    »Meinetwegen, vergiss es. Aber vielleicht wirst du dich mit siebzig seligpreisen, ein zehnjähriges Kind zu lieben und von ihm geliebt zu werden.«
    Seligpreisen? Wo hatte sie das denn plötzlich her? Den Ausdruck hatte sie noch nie gebraucht.
    »Und da ist noch etwas.«
    Ihre Stimme klang honigsüß, so sicher war sie sich ihrer Sache. Sie hatte dem neuen Panorama die Abgründe und Steilwände genommen. Orientierungslos irrte er darin herum, ohne sich bedroht fühlen zu müssen, jedenfalls gaukelte sie ihm das vor.
    »Du hast nicht darum gebeten, Vater zu werden. Also erwarte ich von dir auch keine finanzielle Unterstützung. Ich habe meine Ersparnisse, ich habe meine Läden. Wenn du etwas beisteuern willst, prima. Wenn du mit uns zusammen sein willst, noch besser.«
    Mit uns. Schon war dieses stecknadelkopfgroße Wesen bei ihnen eingezogen, schon gehörte es dazu. Beard fühlte sich ungerecht behandelt und ausmanövriert. Er war zu benommen, um sich klarzuwerden, über welche grundlegenden Prinzipien sich Melissa so umstandslos hinwegsetzte. Hatte er denn überhaupt keine Rechte? Wenn er die Beseitigung dieses Kindes nicht verlangen konnte, was konnte er dann noch ausrichten? Er versuchte, noch einmal neu anzusetzen.
    »Ob ich bleibe oder nicht, ob ich zahle oder nicht, ich werde der Vater deines Kindes sein. Gegen meinen Willen. Du hast mich nicht gefragt, weil du wusstest, was ich sagen würde.«
    »Wenn du das Kind nie zu Gesicht bekommst und nichts zu seinem Unterhalt beiträgst, wüsste ich nicht, was sich dann groß für dich ändern sollte.«
    »Wie kannst du das wissen? Und außerdem liegst du falsch, absolut falsch. Glaubst du wirklich, es ist ein und dasselbe, ein Kind zu haben, das man niemals sieht, oder kein Kind zu haben? Du zwingst mir Entscheidungen auf, die ich niemals treffen wollte.«
    Er brachte das ziemlich hitzig vor und glaubte sich im

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