Solarstation
›genial‹ bezeichnete Ingenieur da gerade treiben mochte, ich verstand ohnehin nichts davon. Er hätte unter meinen Augen eine Atombombe scharf machen können, ohne daß ich es bemerkt hätte. Ich begann meine Wischlappen einzusammeln.
»Sie denken an den Abfallsack?« meinte Iwabuchi plötzlich in halblautem Plauderton, ohne mich anzusehen und ohne seine Tätigkeit zu unterbrechen.
»Ja«, erwiderte ich erschrocken. »Sicher.« Er hatte mich also doch nicht übersehen. Ich fühlte mich ertappt, wie ein Lauscher am Schlüsselloch einer Tür, die überraschend geöffnet wird, und wurde beinahe rot. Vielleicht auch, weil ich den Sack tatsächlich vergessen hätte.
Ich band ihn los und befestigte ihn an meinem Gürtel. Dann schnappte ich meinen Dampfreiniger und meine Lappen und verließ den Maschinenraum.
KAPITEL 7
Ich nahm den Abfallsack mit in das gegenüberliegende Bordversorgungsmodul, sortierte seinen Inhalt in die verschiedenen Deponier- und Kompostiereinrichtungen, reinigte das Innere des Sacks und verstaute ihn im Vorratsbehälter. Tanaka fiel mir wieder ein.
Vielleicht war es an der Zeit, einmal auf der Brücke nach dem Rechten zu sehen.
Das Schott zur Steuerzentrale stand sperrangelweit offen, als ich dort ankam. Und es roch tatsächlich etwas merkwürdig. Tanaka hatte sich ungenau ausgedrückt: die Luft war nicht muffig oder abgestanden – sie war vielmehr von einem eigenartigen Geruch durchdrungen.
»Es ist besser geworden, seit wir lüften«, erklärte Tanaka. »Eine Zeitlang war es nicht auszuhalten.«
Ich schnüffelte, kam aber nicht darauf, woran mich der Geruch erinnerte. Es roch staubig, wie im Inneren einer Gruft, die seit Jahrhunderten nicht geöffnet worden war, gleichzeitig aber auch wie Holz, wie ein Lagerfeuer aus Sargbrettern. Merkwürdig. Ich glitt zu den Zuführungsschlitzen der Lüftung und strich mit den Fingern daran entlang. Kühle Luft wehte heraus, wie immer, und als ich mit der Nase näher kam, roch ich nichts Besonderes. Es war einfach ganz normale, frische Luft – soweit man im Zusammenhang mit unserer künstlich erzeugten, vielfach aufbereiteten, sauerstoffangereicherten Unterdruck-Bordatmosphäre von frischer Luft reden durfte.
»Alles normal«, sagte ich und überlegte.
Unter anderen Umständen wäre das kein besonders aufregender Vorfall gewesen, und ich hatte dergleichen auch schon oft erlebt. An Bord einer Raumstation gab es buchstäblich Tausende von möglichen Ursachen für eigenartige Gerüche, und die weitaus meisten davon waren harmlos. Zu den ernsteren Ursachen zählten schmorende Kabel oder durchbrennende Bauteile, aber das waren Gerüche, die man kannte und die sich auch in Funktionsstörungen niedergeschlagen hätten. »Funktionieren alle Geräte?« fragte ich trotzdem.
»Ja«, sagte Tanaka.
»Hmm«, machte ich. Ich war einigermaßen ratlos. Noch einmal glitt ich schnüffelnd die ganzen Kontrollpulte und Schaltschränke ab, in der Hoffnung, die Quelle des rätselhaften Geruchs ausfindig zu machen, bevor dieser sich ganz verflüchtigt hatte. Ohne Erfolg. Das Schott zum Büro des Kommandanten ging auf, und Moriyama streckte den Kopf heraus. »Sind Sie das, Leonard?«
»Ja.«
»Dieser Geruch – haben Sie eine Idee, woher der kommen könnte?«
»Bis jetzt nicht«, gestand ich. »Aber ich arbeite daran.«
Moriyamas Gesicht wirkte etwas verquollen. Vielleicht hatte er gerade ein Nickerchen gemacht. Es gingen Gerüchte, daß er sich manchmal zu diesem Zweck in seinem Büro einschloß.
»Halten Sie mich auf dem laufenden«, meinte er und wollte sich wieder zurückziehen.
» Sumimasen, Kommandant, diese Meldung kam vorher von NASDA«, rief Tanaka hastig und kam mit einem kleinen Blatt Papier angepaddelt, das er Moriyama reichte.
Der las, was darauf stand, und seine Miene verdüsterte sich. Sie wechselten ein paar Sätze in schnellem, für mich nahezu unverständlichem Japanisch, dann meinte Moriyama: »Man kann nichts machen. Geben Sie es der Crew bekannt.«
Damit verschwand er wieder in seinem Verschlag.
Tanaka kehrte gemächlich zurück an seinen Platz. Er mußte meinen fragenden Blick im Rücken brennen gespürt haben, denn er drehte sich um, ehe er sich festschnallte, und erklärte: »Es gibt Probleme mit dem Shuttle. Der Start wird sich wahrscheinlich um mindestens eine Woche verzögern.«
Nun ja, auch das kam häufig vor. Da waren zunächst einmal die Wirbelstürme. Wirbelstürme liebten Japans Küsten. Wenn ein Taifun mit
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