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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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das Licht der vielen hundert Lämpchen auf den Schalttafeln zauberte bunte Lichtreflexe auf sein Gesicht, die ihm ein geradezu dämonisches Aussehen gaben. Während wir näher kamen, fragte ich mich, ob er das womöglich absichtlich so inszeniert hatte.
    Er trug immer noch seinen Raumanzug, lediglich Handschuhe und Helm hatte er abgelegt. Auch der Schwede, der sich vor dem Kommunikationspult verankert hatte, war noch so bekleidet. Daß Ralf noch seinen Raumanzug angehabt hatte, hatte mich nicht weiter irritiert – sein Verhalten war ohnehin nicht mit normalen Maßstäben zu messen –, aber nun fragte ich mich doch, was der Grund dafür sein mochte, daß die Piraten die schweren, unbequemen Geräte nicht ablegten.
    Vielleicht kam es ihnen auf die Funkgeräte an, über die sie in ständiger Verbindung sein konnten und die fest in den Anzügen installiert waren. Sehr wahrscheinlich spielte das eine Rolle. Aber mir kam es vor, als gäbe es noch einen anderen, einen uneingestandenen Grund: vielleicht fühlten sie sich sicherer in ihren massigen Anzügen. Die Solarstation, die für uns Arbeitsplatz und zeitweilige Heimat war, mußte für sie ein gefährlicher Einsatzort sein, feindliches Territorium. Im Gegensatz zu uns waren sie hier nicht zu Hause, und vielleicht machte ihnen das angst. Ich hoffte, daß es ihnen angst machte. Khalid wartete ruhig, während wir näher kamen. Sakai und Ralf, kaum daß sie uns abgeliefert hatten, verschwanden wieder von der Brücke, um ihren dunklen Geschäften nachzugehen. An ihrer Stelle richtete der schweigsame Schwede seinen Revolver auf uns.
    »Ich nehme an«, begann Khalid wie beiläufig, »Ihnen ist inzwischen bekannt, daß wir unsere Eroberung der Raumstation vorläufig noch geheimhalten…«
    »Es freut mich zu hören, daß Ihre Pläne im Begriff sind zu scheitern«, unterbrach ihn Moriyama scharf.
    Aber Khalid ließ sich nicht provozieren. »Ich kann Ihnen versichern, daß bis jetzt alles vollkommen nach Plan verläuft«, erklärte er mit nachsichtigem Lächeln. »Nehmen Sie einfach an, wir hätten Gewährsleute auf der Erde, deren Aktionen koordiniert mit den unseren ablaufen müssen.«
    »Haben Sie mich holen lassen, damit ich mir Ihre Prahlereien anhöre?«
    »Ich habe Sie holen lassen, Mister Moriyama«, entgegnete Khalid mit unerschütterlicher Selbstsicherheit, »weil ich Sie dazu bewegen möchte, in unserer Maskerade mitzuspielen. Sakai macht das natürlich alles sehr gut, und bis jetzt hat mit Sicherheit noch niemand auf der Erde Verdacht geschöpft, etwas hier könne nicht stimmen. Das soll auch noch eine Weile so bleiben. Eine kleine, sagen wir einmal, Unschönheit ist im Augenblick, daß eine gewisse Roberta DeVries aus Hawaii Sie sprechen möchte. Kennen Sie die Dame?«
    Moriyama zögerte nur einen Herzschlag lang, ehe er nickte. »Das ist die Leiterin des Forschungsbereichs Energieübertragung.«
    »Korrekt.« Khalid deutete wieder ein Lächeln an, und ich verstand, daß er selbstverständlich genau Bescheid gewußt hatte, welche Position Miss DeVries bekleidete. »Ich möchte, daß Sie mit ihr sprechen – natürlich ohne uns zu erwähnen und ohne wilde Warnschreie auszustoßen. Sie sollen einfach nur mit ihr sprechen und den Anschein völliger Normalität erwecken.«
    »Sonst töten Sie mich, nehme ich an.«
    »Oh?« machte Khalid amüsiert. »Sie denken mit. Eine sehr schätzenswerte Eigenschaft.«
    Er gab dem Schweden einen Wink. Ohne die Haltung seines Revolvers im mindesten zu verändern, begann dieser mit seiner freien Hand, die Vorbereitungen für die Funkübertragung zu treffen.
    Ich glaubte zu spüren, wie Moriyama neben mir plötzlich tiefer atmete, glaubte sein Herz schneller schlagen zu hören. Aber ich vermied es, ihn anzusehen, weil ich Angst hatte, durch einen ungewollt verräterischen Gesichtsausdruck alles zu verderben.
    »Wir haben ihr gesagt, daß Sie umfangreiche Außenbordarbeiten leiten«, fuhr Khalid mit seinen Instruktionen fort. »Sagen Sie ihr als erstes, daß Sie wenig Zeit haben, und versuchen Sie, einen Termin für ein ausführliches Telefonat zu vereinbaren, nicht früher als übermorgen.«
    Moriyama nickte grimmig. Übermorgen. Das konnte nur bedeuten, daß der Shuttlestart unmittelbar bevorstand.
    Ich starrte den Piraten, während er mit Moriyama sprach, unverwandt an, studierte ihn mit einer mir selbst kaum begreiflichen, bohrenden Intensität. Unter der glatten, kultivierten Erscheinung des Mannes von Welt glaubte ich etwas

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