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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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können.
    »Man braucht nicht nur ein Faxgerät, Mister Carr. Man braucht auch eine Telefonleitung. Und alle Telefonleitungen um die belagerte Stadt sind gekappt worden.«
    Ich starrte ihn nur ungläubig an. »Sagen Sie, sehen Sie niemals fern? Die ganzen Reporter, die sich in Mekka aufhalten und ihre Reportagen liefern, was glauben Sie, wie die mit ihren Redaktionen sprechen? Es gibt eine ganze Anzahl von Telefonverbindungen, die über Satelliten laufen.«
    Er erwiderte meinen Blick, und einen Lidschlag lang lag etwas Wildes, Aufgebrachtes in seinen Augen – als erwäge er, mich augenblicklich an der höchsten Rahe aufknüpfen zu lassen wegen meines unbotmäßigen Benehmens. Khalid war sicher nicht der Mann, der solche Antworten gewohnt war.
    Aber er war auch nicht der Mann, sich allzu leicht provozieren zu lassen. Ich hatte mich für einen Moment nicht mehr in der Gewalt gehabt – er schon. Er schien noch kurz zu überlegen, als wolle er etwas darauf sagen, aber dann reichte er mir einfach den Brief.
    Ich las ihn sofort in dem diffusen Licht der Instrumente und Bildschirme.
    »Hallo Dad, ich hoffe, diesmal klappt es mit dem Brief. Geht es Dir gut? Ich halte abends und morgens immer Ausschau nach Deiner Raumstation, und wenn ich sie sehe, wünsche ich mir, Du könntest uns etwas zu essen herunterbeamen. So wie in Star Trek, weißt Du noch? Ich liebe Dich, Dad. Neil.«
    Meine Augen brannten plötzlich, und ein namenloser Schmerz umkrampfte mein Herz. Immer, wenn ich einen Brief von ihm bekam, wünschte ich mir, weinen zu können, aber meistens konnte ich es nicht. All die Momente fielen mir wieder ein, in denen er noch Bestandteil meines Lebens gewesen war und ich es nicht zu schätzen gewußt hatte, alle diese versäumten Gelegenheiten zu lieben marschierten vor meinem inneren Auge auf, und ich konnte nur da sitzen auf meiner Anklagebank und meinen Schuldspruch erwarten. Ein verfehltes Leben.
    Khalids Stimme durchdrang den schmerzvollen Vorhang meiner Erinnerungen.
    »Und jetzt erzählen Sie mir bitte, was Sie vorhaben.«
    »Was?« schnappte ich verblüfft. »Was soll ich vorhaben?«
    »Sie haben etwas vor«, beharrte Khalid. »Sie und Ihre Kollegen. Eine Stimme sagt mir, daß Sie etwas gegen uns planen.«
    Mein Gott, er ging mir einfach auf den Geist. Ich hatte nicht einmal mehr Angst; dieser Gangster ging mir einfach nur auf die Nerven mit seinem großspurigen, machohaften Getue. Er führte sich auf wie King Kong, nur weil er zufällig ein paar verrückte Revolvermänner bei sich hatte. Was für ein Scheiß-Universum, in dem solche Idioten das Sagen hatten. Immer waren es die Idioten, die das Sagen bekamen. Kein Wunder, daß die Welt vor die Hunde ging.
    Ich faltete den Brief langsam und bedächtig zusammen. »Wir haben vor, am Leben zu bleiben«, sagte ich. »Wir haben vor, mit kühlem Dosenbier gemeinsam vor dem Fernseher zu sitzen, wenn Ihnen der Prozeß gemacht wird. Wir haben vor, auf Ihre Gräber zu spucken.«
    Khalid musterte mich abschätzig, mit einem aalglatten, ausdruckslosen Gesicht, hinter dem eine kalte, bösartige Grausamkeit zu ahnen war.
    »Ich will, daß Sie wissen, daß Sie uns nicht besiegen können«, sagte er dann eindringlich. »Es ist kein Zufall, sondern höhere Notwendigkeit, daß wir hier sind, und das Schicksal ist auf unserer Seite. Egal, was Sie planen, Sie können nur scheitern.«
    »Dann brauchen Sie sich ja keine Sorgen zu machen.«
    Er starrte mich eine ganze Weile an, ehe er langsam und nachdenklich nickte. Er sagte nichts mehr, sondern bedeutete Ralf und Sven, die eben zurückkehrten, mich fortzuschaffen.
    Als wir in den Knotentunnel kamen, dröhnten plötzlich wilde Schläge durch die Solarstation. Ralf zog natürlich sofort seine Waffe und fuchtelte nervös damit herum. Die Schläge kamen vom Schott unseres Wohnmoduls.
    Sven glitt zur Wartungsklappe und ließ es auffahren, während Ralf mit dem Revolver im Anschlag davor wartete.
    Ein aufgelöster Jayakar schwebte hinter der Öffnung. »Schnell, die Ärztin!« rief er aufgeregt. »Moriyama hat einen Herzanfall!«

KAPITEL 22
    Ralf starrte den Kybernetiker einen Moment nur blöde an. Dann drückte er eine Taste an dem Kontrollinstrument, das er am Handgelenk trug, und murmelte etwas in sein Mikrophon. Gleich darauf öffnete sich das Brückenschott, und Khalid stieß zu uns.
    »Was ist mit dem Kommandanten?« wollte er wissen.
    »Er ist krank«, sagte Jay.
    »Was heißt krank? Hat er die Grippe? Hat er sich den Arm gebrochen?

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