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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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unsagbar Dunkles und Schweres zu spüren, als trage er eine tonnenschwere Masse in seinem Inneren. Für einen Moment schien es mir, daß es auf der Brücke einzig aus dem Grund dunkel war, weil dieser Mann sich hier aufhielt. Moriyama, ansonsten nicht der lebenslustigsten Menschen einer, wirkte neben ihm geradezu wie eine Lichtgestalt.
    Was in dem Kommandanten vorging, glaubte ich zu wissen. Er lauerte nur darauf, dem Ansinnen Khalids zum Schein nachzugeben, aber er wollte sich nicht durch allzu große Bereitwilligkeit verdächtig machen. Er würde die Erde warnen.
    Khalid mochte ihm danach das Hirn aus dem Schädel blasen, aber dann würde es zu spät sein.
    In diesem Augenblick öffnete sich das Brückenschott wieder. Sakai und Ralf kamen zurück, und sie brachten Yoshiko mit. Sie starrte uns nur schreckensbleich an, dann bedeutete Sakai ihr mit widerlichem Grinsen, sich auf einem Sitz in der Nähe des Schotts festzuschnallen. Mir schwante Übles.
    »Bevor Sie mit der Erde sprechen«, erklärte Khalid dazu so leichthin, als sei es ihm jetzt gerade erst eingefallen, »muß ich Ihnen ein paar Dinge erklären. Zunächst einmal gedenke ich keineswegs, Sie mit dem Tod zu bedrohen. Ich schätze Sie ein als jemand, der fähig ist, sein Leben für eine höhere Sache zu opfern – jemand, der es fertigbrächte, trotz eines auf ihn gerichteten Revolvers eine Warnung hinauszuschreien –, und das zwingt mich, andere Vorkehrungen zu treffen.«
    Sakai glitt an mir vorbei, bedachte mich mit einem ekligen, schleimigen Seitenblick und nahm dann seinen gewohnten Platz an den Kommunikationseinrichtungen wieder ein.
    »Ich habe eine Rangliste der Unentbehrlichkeit aufgestellt«, fuhr der Pirat fort. »Es wird Sie interessieren, Mister Moriyama, daß Sie darauf den ersten Platz einnehmen. Sie sind der Kommandant – wir würden ein großes Risiko eingehen, wenn wir Sie einfach töten würden. Miss Yoshiko dagegen« – er deutete in ihre Richtung mit einer Handbewegung wie ein Showmaster, der dem Publikum seine Gäste vorstellt – »rangiert auf einem der letzten Plätze. Sie wird sterben, wenn Sie sich nicht an meine Anordnungen halten.« Das sagte er nun mit einer Stimme, die kalt war wie Polareis.
    Ich sah Moriyama entsetzt an. Dessen Gesicht war immer noch unbewegt, in Stein gemeißelt, und verriet nichts von dem, was in ihm vorging. Aber er vermied es, meinen Blick zu erwidern.
    Und er vermied es, Yoshiko anzusehen.
    Eine Milliarde Dollar, das ist kein Preis. Nicht einmal unser aller Leben wäre ein zu hoher Preis.
    Aus den Lautsprechern war plötzlich das Freizeichen zu hören, das anzeigte, daß nun Verbindung zum Telefonnetz von Hawaii bestand. Sakai las eine Nummer von einem Zettel ab und tippte sie ein. Eine Sekunde lang durchzuckte mich die Vision, ihn zu überwältigen und mich des Telefonanschlusses zu bemächtigen, der ungehinderte Verbindung mit der ganzen Welt bedeutete…
    »Nur für den Fall, daß Sie auf die Idee kommen sollten, auch den Tod Ihrer Mitarbeiterin in Kauf zu nehmen für die Chance, unsere Pläne zu durchkreuzen«, meinte Khalid halblaut, fast mit genießerischer Überlegenheit, »möchte ich Ihnen noch von der kleinen Schaltung erzählen, die Sven eigens für derartige Gelegenheiten eingebaut hat. Alles, was Sie sagen, wird mit einer Verzögerung von zwei Sekunden gesendet werden – eine Verzögerung, die bei einem Gespräch mit der Raumstation niemandem ungewöhnlich vorkommen wird. Und Sakai wird den Finger auf dem Knopf haben, während Sie sprechen. Wir haben diesen kleinen Kniff amerikanischen Radiostationen abgeguckt, die eine ganz ähnliche Vorrichtung verwenden, um in Sendungen, bei denen Zuhörer im Studio anrufen, zu verhindern, daß obszöne Worte oder politische Parolen über den Sender gehen. Man kann derartige Geräte fix und fertig kaufen, und sie funktionieren tadellos. Ein falsches Wort, und auf Knopfdruck verschwinden die letzten zwei Sekunden im Nichts.«
    Es war gespenstisch, mit anzusehen, wie Moriyama während dieser Worte um Jahre zu altern schien. Khalid vernichtete ihn mit diesen Sätzen. Er brachte ihn um.
    Eben noch ein zu allen Opfern entschlossener Mann, war der Kommandant nur noch ein Schatten seiner selbst, als das Rufzeichen ertönte; ein gebrochener, apathischer Mann, aus dem alle Energie und alle Zuversicht spurlos verschwunden war.
    Über die Lautsprecher hörten wir alle mit, wie jemand den Hörer abnahm. »Forschungszentrum, Büro Dr. DeVries«, meldete sich eine

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