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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Schott wieder im Begriff stand, geöffnet zu werden.
    »Es ist soweit«, sagte Moriyama fest. »Laßt uns nach vorn gehen.«
    Er hangelte sich den Gang entlang, und wir folgten ihm mit dem beklemmenden Gefühl, einen zum Tode Verurteilten auf dem Weg zum Schafott zu begleiten. Und er schien es kaum erwarten zu können, so kraftvoll schoß er davon.
    Tanaka neben mir fing wieder an, nervös mit den Zähnen zu zischeln. »Sie werden uns alle töten«, hörte ich ihn murmeln. »Wenn sie erst in der Solarstation eingesperrt sind und kein anderes Druckmittel mehr haben…«
    Wir hatten die Bodybuildinggeräte gerade erreicht, als die beiden Hälften des Schotts sich jammernd öffneten. Wieder einmal war es Ralf, der uns einen seiner Besuche abstattete. Er schwebte in der rechteckigen Öffnung wie ein Monster aus einem besonders widerlichen Videospiel, und seine Hand mit dem Revolver zuckte so bedenklich, als leide er schon unter Entzugserscheinungen, was das Umbringen von Leuten anbelangte.
    »Wer von euch ist Tanaka?« krächzte er.
    Wir sahen einander verblüfft an. Tanaka? Wieso Tanaka?
    »Du«, fuhr er fort und deutete zielsicher auf den stellvertretenden Kommandanten. »Du bist Tanaka. Mitkommen.«
    Tanaka riß entsetzt die Augen auf, und seine Stirn glänzte plötzlich naß vor Schweiß. Aber der Anblick der Waffe in Ralfs Hand und der unverhohlenen Bereitschaft in seinem Gesichtsausdruck, beim geringsten Anlaß hemmungslosen Gebrauch von ihr zu machen, wirkten ungemein überzeugend: er setzte sich ohne Widerspruch in Bewegung.
    Das Schott schloß sich ächzend wieder, und wir übrigen blieben zurück mit einem Gefühl, als hätten wir gerade einer Deportation zugesehen.

KAPITEL 20
    Moriyama schien regelrecht enttäuscht zu sein, aber er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen. »Er wird das Richtige tun«, sagte er in die angespannte Stille. »Ich weiß es.«
    »Tanaka?« Jay ließ sein meckerndes Lachen hören. »Kommandant, Sie wissen genau, daß er das nicht wird. Jedenfalls nicht so, wie Sie sich das vorstellen.«
    In Moriyamas Augen trat ein trüber Schimmer. »Wir müssen die Solarstation retten, und dabei dürfen wir keine Rücksicht auf unser eigenes Leben nehmen.« Er schien es eher zu sich selbst als zu uns zu sagen, wie eine Beschwörungsformel.
    Jayakar und ich schwiegen.
    »Vielleicht sollten wir einen Ausbruch versuchen, wenn das Schott das nächste Mal geöffnet wird«, überlegte Moriyama halblaut. »Sie sind immer zu zweit draußen, und wir sind zu dritt oder zu viert…«
    »Und unbewaffnet«, meinte Jay trocken. »Und dieser Ralf macht auf mich den Eindruck, als würde er es nur zu gern mit einer ganzen Armee unbewaffneter Wissenschaftler aufnehmen.«
    Moriyama legte seufzend die Hände auf die Augen und massierte seine Augenbrauen. »Sie haben recht. Es wäre Unfug.« Eine Weile war es still; eine niedergedrückte, mutlose Stille. Die chromblitzenden Stangen und Hebel der Kraftgeräte um uns herum schienen sich in die bizarren Gitterstäbe eines bizarren Gefängnisses verwandelt zu haben.
    »Ich werde versuchen, ein wenig zu schlafen«, verkündete Moriyama schließlich. »Wecken Sie mich, falls sich etwas ereignet. Und wenn Ihnen etwas Konkretes einfallen sollte, was wir tun können, dann lassen Sie es mich bitte wissen.«
    Damit zog er sich in den Gang zu den Kabinen zurück, wo er nach kurzem Zögern in Kims Kabine verschwand.
    Jay stierte eine Weile unschlüssig vor sich hin. Dann manövrierte er sich gemächlich hinüber zum Laufband, schnallte sich die elastischen Gurte um, die dazu da waren, den Läufer in der Schwerelosigkeit auf das Band zu drücken, und ließ den Motor mit der niedrigsten Geschwindigkeit laufen, so daß er nur eine Art gemütlichen Spaziergangs machte. Er harte mir einmal erzählt, daß er in Cambridge immer Spaziergänge unternommen hatte, wenn er gründlich nachdenken wollte.
    »Was ist mit Ihnen, Carr? Haben Sie eine Idee? Ich nicht, muß ich zugeben.«
    Ich musterte die zylindrischen Wände des Moduls, dachte an die endlose Leere dahinter und fand die Vorstellung immer noch tröstlich. »Ideen habe ich schon, aber sie laufen alle mehr oder weniger auf Selbstmord hinaus.«
    »Unserem Kommandanten zufolge muß das ja kein Hinderungsgrund sein. Lassen Sie hören.«
    »Zum Beispiel befinden sich im Depot des biologischen Labors zwei kleine, rosafarbene Gasbehälter, die hochwirksames Betäubungsgas enthalten und von denen bereits einer ausreichen würde, um die

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