Solarstation
Yamamotos lebloser, silberhaariger Schädel kam zum Vorschein. »Und nachdem er ihn schon mit an Bord genommen und durch den Start umgebracht hatte, hätte er ihn nicht so achtlos hinter die Sitze stopfen und dort vergessen sollen.«
Ich öffnete den Plastiksack weiter und streifte ihn am Körper des Toten herab. Wie es sich herausstellte, trug der Tote einen Raumanzug.
»Sie trugen alle vier Raumanzüge, weil sie ihrem selbstgebastelten Raumschiff nicht recht trauten. Zu Recht, wahrscheinlich. Nachdem Yamamoto tot war, hatten sie andere Sorgen, als ihn auszuziehen. Und da es ihnen auf eine Leiche mehr oder weniger sowieso nicht ankommt, vergaßen sie ihn, als sie uns hier einsperrten. Und das«, schloß ich grimmig, »war ein Fehler.«
Ich holte den Leichnam vollständig aus dem Plastiksack heraus. Es tat gut zu handeln. Der zum Raumanzug gehörende Helm fand sich ganz am Schluß zwischen den Füßen des Toten. Auf seinem Halsverschluß waren kyrillische Buchstaben eingeprägt: also tatsächlich russische Raumanzüge. Wie ich es mir gedacht hatte. Es galt nach wie vor, daß es nichts gab, das man auf dem russischen Schwarzmarkt nicht hätte kaufen können. Ich begann, den Toten zu entkleiden. Der Raumanzug war dem schmächtigen alten Japaner zu groß gewesen; mir würde er ganz leidlich passen mit meiner Durchschnittsgröße.
»Was tun Sie da«, wollte der Kommandant wissen, als ich in das Hosenteil schlüpfte, was sich in der Schwerelosigkeit und ohne die entsprechenden Halterungen nicht gerade einfach gestaltete.
»Das sehen Sie doch – ich ziehe den Raumanzug an.«
Ich prüfte die Sauerstoffreserve des Rucksacktornisters. Mehr als ausreichend.
»Und was haben Sie vor?«
»Was denken Sie denn, daß ich vorhaben könnte?« fragte ich zurück und schnallte die Stiefel an. »Ich werde rübergehen und Khalid mit bloßen Händen erwürgen.«
»Werde ich dazu nicht gefragt?«
Ich hielt inne und sah Moriyama an. »Nein. Sie werden dazu tatsächlich nicht gefragt.«
Es war einen Moment lang wie ein Kräftemessen mit Blicken, dann nickte der grauhaarige Kommandant. »Khalid ist nicht allein da drüben, das wissen Sie?«
»Mir ist gerade wieder eingefallen, daß ich einmal das Handwerk eines Soldaten gelernt habe. Mal sehen, was ich noch alles kann.« Ich streifte das Brustteil über und verband es mit dem Hosenteil. Alles sehr solide, alte russische Wertarbeit. Yoshiko half mir beim Aufsetzen des Rückentornisters. Ich achtete sorgfältig darauf, nicht aus Versehen das Funkgerät einzuschalten, das wie ein dicker, wurstförmiger Wulst im Nacken befestigt war. Die Geräte der anderen drei Raumanzüge sendeten und empfingen sicher auf der gleichen Frequenz; wenn ich die Piraten mit einem lautstarken Einschaltknacken auf die richtigen Ideen brachte, konnte ich genausogut gleich hierbleiben.
»Leonard?« fragte Jayakar plötzlich.
»Ja?«
Er schwebte neben dem Guckloch, das in der Schleusenluke eingelassen war, und hielt sich am Verschlußrad fest. »Ich fürchte«, sagte er zögernd, »Khalid hat doch keinen Fehler gemacht.« Er deutete auf das Guckloch. »Die äußere Schleusentür steht offen.«
»Und?«
»Und es gibt keine Vorrichtung, um sie von hier drinnen zu schließen.«
Ich hatte mir gerade den Helm aufsetzen wollen, aber jetzt hielt ich entsetzt inne. Mein Verstand weigerte sich zu glauben, was meine Ohren hörten. War das ein Problem? Durfte es sein, daß das ein Problem war? Ich hangelte mich über die Sitze hinweg zu Jayakar an das Schleusenluk und spähte durch die enge Sichtritze. Tatsächlich, die äußere Schleusentür stand offen. Sie mußte geschlossen werden. Dann konnte ich die innere Luke öffnen, mich in den engen Schleusenschacht zwängen und dann die äußere Luke öffnen. Ich suchte nach irgendeinem Hebel oder Schalter, um sie von innen zu schließen, aber es gab keinen.
»Das darf nicht wahr sein«, murmelte ich. »Wie soll ich denn jetzt hinauskommen?«
»Vergessen Sie’s«, meinte Jayakar wenig hilfreich. »Unser Gefängnis ist noch perfekter, als wir dachten. Sie haben zwar einen Raumanzug, aber Sie können die Kapsel nicht verlassen, ohne uns alle zu töten.«
KAPITEL 27
Ich klammerte mich an dem Guckloch der inneren Schleusentür fest wie ein Ertrinkender an seiner letzten Luftblase, starrte hinaus in die Schleuse und zermarterte mir das Gehirn nach einem Ausweg. Die äußere Schleusenluke schien zum Greifen nahe zu sein. Wenn draußen kein Vakuum geherrscht hätte, man
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