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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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erste Schraube war draußen. Ich schnippte sie achtlos davon und setzte den Schraubenzieher sofort an die nächste. Nur diese drei Schrauben noch, dann ein Ventil verstellt und zwei Stecker gezogen, und sie würden im Dunkeln sitzen, eingesperrt und isoliert. Nur noch diese paar Sekunden. Eine Handvoll Atemzüge. Die zweite Schraube weg. Die nächste. Ich war dabei, den Weltrekord im Schraubenaufdrehen zu brechen.
    In diesem Augenblick schoben sich schräg über mir die beiden Hälften des stählernen, rostfreien, druck- und strahlendichten Brückenschotts auseinander, und Khalid kam heraus. Er sah mich sofort, und er war nicht der Mann, dem man erst lange hätte erklären müssen, was gespielt wurde. Ich blickte in den Lauf seines Revolvers, ehe ich den Kopf ganz gehoben hatte, und die Frage, woher er ihn so schnell gezogen hatte, hätte ich nicht ehrlich beantworten können.
    »Carr«, sagte er dann mit unechter Ruhe. »Was tun Sie hier?«
    Ich hielt noch den Schraubenzieher in der Hand, in der Bewegung erstarrt wie Lots Weib. Was tun Sie hier? Nicht: Wie kommen Sie hierher? Ich war da; das sah er ja, und das genügte ihm. Auch das Schicksal seines Revolvermannes schien ihn nicht zu interessieren. Ich hätte ihm auf eine Frage nach Ralf liebend gerne erwidert: Ich habe ihm den Kopf abgeschlagen – aber das hätte ihn wahrscheinlich nicht sonderlich beeindruckt.
    »Was denken Sie denn, was ich hier tue?« versetzte ich also bissig. »Ich jage Ungeziefer.«
    Er ließ sich nicht provozieren. »Wieso funktioniert die Steuerung des Energiesenders nicht mehr?«
    »Woher soll ich das wissen?« Ich hatte ja nur den Schaltschrank kurz und klein geschlagen, in dem der Steuerungscomputer untergebracht gewesen war. Offenbar war ihm das nicht gut bekommen.
    Khalid nickte versonnen, während sich seine stahlharten Augen in meinen Blick bohrten. »Ich hätte Sie töten sollen. Ich wußte es. Ich wußte, daß Sie gefährlich sind, daß Sie ein Feind sind, Carr, und daß Gott Sie nicht liebt…«
    Diesen Eindruck hatte ich in den letzten Jahren in der Tat auch des öfteren gehabt.
    Khalids Miene verdüsterte sich, und seine Stimme troff förmlich von Bedauern, als er fortfuhr: »Sie werden mich nicht aufhalten, Carr, denn der Segen des Propheten ist mit mir. Nur wenn ich einst vor Allah trete, wird er mich fragen, warum ich nicht auf die Stimme gehört habe, die mir das Wissen um die Gefahr einflüsterte. Und um meiner Seele Heil werde ich antworten müssen, daß ich Sie in den schadrach geschickt habe, in die Hölle der Ungläubigen…«
    Während er sich an seiner eigenen Ansprache berauschte, zog ich unendlich behutsam die Zehen aus ihrer Verankerung hinter dem Haltegriff. So, wie Khalid da schräg über mir schwebte, hatte er die Waffe in meinem Gürtel wahrscheinlich noch nicht gesehen. Ich beobachtete unverwandt sein Gesicht, den Ausdruck seiner Augen, während ich langsam ein Knie hob und gegen die Tunnelwand brachte.
    Ich sah Khalids Augen sich um eine Winzigkeit verengen. Er flüsterte plötzlich. »Allah akh’bar…«
    Aber das wartete ich schon nicht mehr ab. Wie eine davonschnellende Uhrfeder katapultierte ich mich von der Wand weg, schräg nach hinten, und riß im Sprung den riesigen, unhandlichen Revolver aus dem Hosenbund. Der dicke, glänzende Prügel von einem Schalldämpfer schwenkte herum, und es kam mir so zäh und langsam vor, als müsse ich das Kanonenrohr eines Panzers von Hand herumkurbeln.
    Aber ich mußte Khalid genau im Visier haben, ehe ich abdrückte, sonst gab es eine Katastrophe.
    Khalid hatte diese Skrupel nicht, er kannte sie wahrscheinlich nicht einmal, und er war schneller. Ich sah aus den Augenwinkeln, wie er schoß, und warf mich in einer sinnlosen Reaktion zur Seite. Der Schuß war nicht lauter als das Öffnen einer Dose Bier, und als die Kugel mich traf, überflutete mich ein Schmerz wie eine grelle, lautlos explodierende Sonne in meinem Kopf. Und dann passierte alles auf einmal.
    Mein rechter Oberarm wurde mit der Gewalt eines Dampfhammers nach hinten gerissen, und dabei verlor ich den Revolver und den Überblick. Sekundenbruchteile später erreichte die Kugel, die meinen Arm nur durchschlagen hatte, die Wandung des Knotentunnels und tobte den beträchtlichen Rest ihrer kinetischen Energie darin aus.
    Plötzlich gellte das infernalische Heulen des Leckalarms durch die Station, übertönt nur noch von dem ohrenbetäubenden Fauchen der entweichenden Luft, die durch das Einschußloch ins All

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