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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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meinem Versteck mit angehaltenem Atem verfolgt und mit zunehmend fassungslosem Staunen, daß mein Plan tatsächlich aufzugehen schien. Und als ich jetzt auf ihn herabstürzte wie ein Habicht auf seine Beute, das blanke Schwert stoßbereit in der Hand, geschah dies nahezu lautlos und für ihn vollkommen überraschend.
    Mein Ziel war, mit dem ersten Streich und bevor er überhaupt mitbekam, was geschah, sein Funkgerät auszuschalten, das er immer noch als Nackenteil trug wie eine fette blaue Wurst. Das hatte alleroberste Priorität: ich mußte dieses Gerät zerschmettern, noch bevor Ralf dazu kam, auch nur einen einzigen Laut auszustoßen, der seine Spießgesellen auf der Brücke hellhörig machte. Und so schoß ich heran, die Augen unverwandt auf das klobige, wulstige Gerät gerichtet, und ich führte den Schlag mit aller Kraft, die mir zu Gebote stand. Ich hatte an dem Raumanzug, in dem ich zurück in die Station gekommen war, das gleiche Funkgerät gehabt, und es hatte sich unerhört massiv und widerstandsfähig angefühlt, alte russische Wertarbeit eben, stabil genug gebaut, um einen Sturz aus dem Weltraum hinab auf die sibirische Tundra zu überstehen. Aber als ich jetzt mit Kims Schwert zuschlug, glitt die Klinge durch den Stahl hindurch wie durch flüssige Butter, und danach noch durch Ralfs Wirbelsäule, seinen Hals und seine Kehle, schwang dann in einem weiten Bogen durch die Luft und schlug noch eine Ecke von einem Tisch ab, ehe ich die Bewegung zum Stillstand bringen konnte.
    Mit gleichmütigem Zischen schloß sich das Schott, während ich fassungslos betrachtete, was ich vollbracht hatte. Ralf war tatsächlich nicht mehr dazu gekommen, seine Kumpane zu warnen; mein Schlag hatte ihm mühelos den Kopf vom Rumpf getrennt. Es war gespenstisch anzusehen, wie der bleiche, ausgezehrte Schädel, die fettigen schwarzen Haare wirr nach allen Seiten abstehend, unschlüssig durch die Luft rotierte, während der Rumpf langsam vornüberkippte und das Blut in zwei pochenden Fontänen aus den Halsschlagadern schoß und zu einer immer dichter und größer werdenden roten Wolke zerstäubte, in der sich der abgehauene Kopf verstecken zu wollen schien.
    Ich sah das Schwert an, an dessen Klinge nicht einmal ein Blutstropfen hing. Mehr noch, es hatte massiven Stahl durchschlagen und nicht einmal eine Scharte davongetragen. Kim wäre begeistert gewesen.
    Der kopflose Körper zuckte sterbend vor sich hin. Der Druck, mit dem das Blut aus den Adern getrieben wurde, ließ rasch nach. Mittlerweile war der Kopf völlig blutverschmiert; nur die großen, leeren Augen blickten noch bleich und anklagend umher. Wesentlich lebendiger hatten sie zu Ralfs Lebzeiten auch nicht gewirkt.
    Ich muß gestehen, ich spürte nicht den Hauch irgendeiner Gewissensnot bei diesem Anblick. Im Gegenteil, auf einmal erfüllte mich eine tiefe, geradezu schöpferische Befriedigung. Ich hing da, an eine Rohrleitung geklammert, betrachtete die riesige Blutwolke und den geköpften Ralf, und ich hätte keine größere Zufriedenheit empfinden können, wenn ich gerade unter dem Beifall der Welt die Sixtinische Kapelle neu ausgemalt, eine unsterbliche Symphonie komponiert oder ein ergreifendes Gedicht geschrieben gehabt hätte. Er sah seine Werke, und er sah, daß sie gut waren. Genau so war mir zumute.
    Trotzdem war es natürlich eine riesige Sauerei, was sich hier anbahnte. Der Nebel aus Blut, der aussah wie dunkelroter Dampf, geriet allmählich in den Einflußbereich der Belüftungsanlage. Die ersten Tröpfchenschwaden wurden in Entlüftungsschlitze gesogen, und im Bereich der Luftzufuhr bildeten sich wilde Wirbel.
    Der Hausmeister, der dieses ganze Chaos einmal aufzuräumen haben würde, konnte einem jetzt schon leid tun.
    Ich bemühte mich, an Ralfs Revolver heranzukommen, ohne in das Blut hineinzugeraten. Die toten Finger hielten den Griff der Waffe natürlich immer noch fest umklammert. Ich zerrte den enthaupteten Leichnam in eine einigermaßen saubere Zone und öffnete einen Finger nach dem anderen. Dabei überlegte ich, ob die Belüftungsanlage das Blut wohl bis in andere Räume transportieren konnte. Ich malte mir Khalids Gesicht aus, wenn plötzlich dunkelrote Schwaden aus den Lüftungsgittern drangen. Vielleicht würde er überschnappen.
    Aber das war unwahrscheinlich. In den Schächten der Klimaanlage strömte die Luft sehr rasch und turbulent, weil sie aus Platzmangel eng gebaut waren. Das Blut würde sich rasch an den Schachtwänden absetzen, und es

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