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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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So hoch wie ein Kirchturm, wie ein sehr großer Kirchturm, ragte die filigrane Konstruktion aus Metallstäben über mir auf, der Blick ging nach oben und wollte kein Ende finden. Hundertfünfzig Meter. Ich kontrollierte meine Uhr. Noch zwanzig Minuten.
    Ich setzte mich in Bewegung, hangelte mich von Haltegriff zu Haltegriff bis zum Ende des Knotentunnel-Moduls und schlüpfte dann zwischen den Stäben hindurch in das Innere der Turmkonstruktion. Von hier aus erinnerte sie an einen Ölbohrturm, einen kosmischen Eiffelturm.
    In dem modernen japanischen Raumanzug konnte ich mich, natürlich, viel besser und leichter bewegen als in dem alten russischen Modell. Ausgestattet mit allen Errungenschaften der herkömmlichen Weltraumtechnik, war das japanische Modell wesentlich leichter, einfacher zu handhaben und eleganter in der Konstruktion. Ach ja, und billiger waren die japanischen Raumanzüge natürlich außerdem.
    Ich stieß mich ab und glitt den Turm hinauf, wie durch einen Tunnel. Entlang der Stützstreben zogen sich die Stromleitungen, daumendicke Kabel, zu armdicken Strängen verzurrt. Ab und zu flitzte ich an einem kleinen schwarzen Signalkästchen vorbei, auf dem drohend Warnlampen flackerten: die Kabel standen bereits unter Strom, wenn auch noch nicht unter Vollast. Unter Vollast würde die gesamte Solarfläche nachtschwarz werden.
    In den Kopfhörern meines Funkgeräts, das ich auf Empfang geschaltet hatte, begann es zunehmend zu knistern, je näher ich der Spitze des Turms kam. Es klang beunruhigend, gerade so, als flöge ich mitten in unsichtbare Gewalten hinein, die mich zermalmen konnten – und es vielleicht auch würden. Schließlich erreichte ich die Turmspitze.
    Hier oben verjüngte sich die Konstruktion leicht, und es war schwer, sich aus dem Inneren des Turms wieder herauszuzwängen. Ich spähte nach oben, aber es war niemand zu sehen. Auf der Spitze der Turmkonstruktion saß ein großes, zylindrisches Aggregat, das aussah wie eine riesige, weißlackierte Coladose, die jemand in ein Fliegengitter eingewickelt hatte. Oben auf dem Aggregat war eine runde, tellerartige Plattform angebracht, und auf dieser Plattform wiederum – das wußte ich nur; sehen konnte ich es von meiner Position aus nicht – saß der Energiesender, der aussah wie eine große, nach allen Richtungen bewegliche Radarantenne. Nur daß diese Antenne nicht empfangen, sondern nur senden konnte, und zwar einen Mikrowellenstrahl von unvorstellbarer Intensität. Einen unsichtbaren, absolut zerstörerischen Energiestrahl, der sich in wenigen Minuten in den blutgetränkten Sand der Arabischen Wüste bohren und eine Spur der Verwüstung ziehen würde.
    Wo war Khalid? Wahrscheinlich auf der Plattform. Ich konnte ihn nicht sehen, genausowenig wie ich sehen konnte, was sich sonst auf der Oberseite der Plattform befand. Die Plattform diente der Abschirmung zur Solarstation hin, und daß ich ihn nicht sehen konnte, hieß hoffentlich, daß er auch mich nicht sah. Für einen Augenblick zuckte mir der Gedanke durch den Kopf, daß er womöglich überhaupt nicht hier oben war, sondern irgendwo anders, um eine noch viel teuflischere Schurkerei vorzubereiten, aber ich wischte diesen Gedanken sofort wieder beiseite.
    Wo immer er noch sein konnte, er konnte nirgendwo mehr Schaden anrichten als hier.
    Und außerdem wußte ich, daß er da war. Ich glaubte seine Anwesenheit beinahe körperlich zu spüren.
    Ich glitt höher, hangelte mich an der Gitterkonstruktion rund um das Umwandlungsaggregat entlang bis dicht unter die Plattform. Paradoxerweise mußte ich jetzt leise sein. Zwar trug das Vakuum keinen Schall, aber das Metall, aus dem der Turm gebaut war, dafür um so besser. Ich durfte nirgends anstoßen, keine Erschütterungen irgendwelcher Art erzeugen, oder Khalid würde mich kommen spüren.
    Unterhalb der Plattform gab es dicke, schräg verlaufende Stützstreben, die diese mit dem zylindrischen Aggregat verbanden. Ich hakte mich mit dem linken Knie in einer davon fest und löste dann behutsam die Klebestreifen, mit denen ich den Revolver an meinem Oberschenkelteil befestigt hatte.
    Jeder weiß, daß es im Weltraum keinen Sauerstoff gibt und daß man deswegen schlechte Karten hat, wenn man etwa versuchen wollte, sich dort eine Zigarette anzuzünden, mit einem Feuerzeug oder einem Streichholz etwa. Was aber nicht jeder weiß, und was auch viele Leute verblüfft, ist, daß Sprengstoffe aller Art trotzdem hervorragend funktionieren. Auch Schießpulver. Der

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