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Solarstation

Titel: Solarstation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Eschbach
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Grund dafür ist, daß in Schießpulver der für die Explosion benötigte Sauerstoff bereits enthalten ist. Pistolen und Gewehre aller Art kann man deshalb auch im Vakuum problemlos verwenden, vorausgesetzt, man bekommt den Zeigefinger seines Raumhandschuhs in den Abzugsbügel. Der einzige Unterschied ist, daß es bei einem Schuß absolut kein Geräusch gibt.
    Ich verwendete einige meiner kostbaren Sekunden darauf, meinen behandschuhten Zeigefinger um den Abzug zu legen, ohne ihn versehentlich zu betätigen. Dann, als ich schußbereit war, griff ich mit meiner freien linken Hand schräg über mich um den äußersten Rand der Plattform, löste mein linkes Bein aus seiner Verankerung und zog mich vorsichtig auf die Kante zu.
    Meine Absicht war, über der Umrandung aufzutauchen, Khalid auszumachen und sofort und ohne jede Warnung auf ihn zu schießen, und das so oft wie möglich. Das war natürlich eine völlig vorschriftswidrige, gewissenlose und unfaire Absicht, bar jeden Anstands und jeder Würde.
    Und mir war tatsächlich danach, völlig vorschriftswidrig, gewissenlos und unfair zu handeln, ihn unter Verzicht auf jeden Anstand und jede Würde einfach nur zu töten. Ihn zu töten, wie man ein Schwein schlachtet.
    Ich glitt um den Rand der Plattform herum, den Revolver schußbereit erhoben, und meine Augen durchbohrten das Ungewisse Halbdunkel der sinnverwirrend komplizierten technischen Einrichtungen darauf. Über mir erhob sich riesig die gewaltige Schüssel aus Drahtgeflecht, eingebunden in ihre kardanische Aufhängung und bereits auf ein Ziel auf der Erde ausgerichtet. Ich sah den klobigen zylindrischen Sensor der lasergesteuerten Feinausrichtung, ich sah Motoren und Antennen und dunkle Geräte, nur Khalid sah ich nirgends.
    Einen Moment war ich verwirrt, und eine unklare, nagende Furcht stieg in mir auf, irgend etwas übersehen zu haben, irgend etwas sehr, sehr Wichtiges vergessen zu haben. Wieso war er nicht da? Ich war so sicher gewesen, Khalid hier anzutreffen, und nun war er nirgends zu sehen.
    Aber er war da. Urplötzlich tauchte er vor mir auf wie hingezaubert, riesig und überwältigend in seinem schneeweißen Raumanzug Ich sah seinen Schlag nur aus den Augenwinkeln, seinen gewaltigen, wutentbrannten Hieb gegen meine rechte Hand, und da war es schon zu spät. Ein Geräusch wie splitternde Knochen, ein jäh aufflammender, unglaublicher Schmerz durch die Betäubung hindurch, und mein Revolver verschwand in der unendlichen Dunkelheit des Weltraums.
    Ich muß aufgeschrien haben, ich weiß es nicht mehr. Um ein Haar hätte ich den Griff der Linken um die Plattformumrandung verloren. Verzweifelt manövrierte ich rückwärts, wollte wieder zurück unter die Plattform, irgendwo einen festeren Halt finden. Die ganze Zeit starrte ich Khalid an, der sich mit einer Hand an einer Stange festhielt, während er mit der anderen am Verschluß seiner Brusttasche herumnestelte. Ich sah sein Gesicht nicht, nur die dunkel glänzende, verspiegelte Hülle seines Raumhelms, aber ich begriff, daß er nach seinem eigenen Revolver suchte. Er hatte ihn zwar mitgenommen, aber in die Tasche gesteckt, weil er nicht damit gerechnet hatte, daß er ihn hier draußen brauchen würde.
    In der Schwerelosigkeit kann man sich nicht einfach in Deckung fallen lassen. Ich strampelte verzweifelt mit den Beinen umher auf der Suche nach einer der Streben, die linke Hand nach wie vor um den Rand der Plattform gekrallt. Ich hatte nicht genug Kraft im linken Handgelenk, um mich damit in den Schutz der Plattform zu drücken. Und jetzt hatte Khalid seine Pistole gefunden und herausgeholt, ohne Schalldämpfer diesmal, klein und schwarz und gefährlich, und er richtete sie auf mich. Ich bildete mir ein, die Öffnung des Laufs in der Dunkelheit leuchten zu sehen. Nicht einmal einen Schuß würde ich hören.
    Da faßte mein rechter Fuß endlich Halt, stieß unter einen festen Widerstand, und ich winkelte sofort das Bein an und zog mich damit in Sicherheit.
    Einen Sekundenbruchteil bevor ich in der Deckung der Plattform verschwand, sah ich noch Mündungsfeuer aus Khalids Pistole aufflammen und sah, wie er von dem unerwartet heftigen Rückstoß zurückgerissen wurde. Aber ich hörte keinen Schuß, hörte keine vorbeipfeifenden Kugeln, nichts dergleichen. Alles vollzog sich in unheimlicher Stille.
    Schwer atmend griff ich nach dem nächsten Halt, hangelte mich weiter, auf die andere Seite des Umwandlers. Khalid würde nach mir suchen, und ich hatte keine Waffe

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