Solarstation
mehr.
Ich befühlte meine rechte Hand. Der Schmerz war inzwischen dumpfer Taubheit gewichen. Es sah so aus, als könne ich die meisten der Finger annähernd normal verwenden, nur der Zeigefinger entzog sich meiner Kontrolle, war völlig gefühllos.
Wie hatte er gewußt, daß ich kam? Ich mußte mich trotz aller Vorsicht verraten haben. Offenbar bekam man oben auf der Plattform mehr mit, als ich gedacht hatte.
Ich hielt still, an eine Querstrebe geklammert, und spürte den Vibrationen nach. Tatsächlich. Ich konnte spüren, daß sich jemand langsam umherbewegte, von einem Halt zum nächsten griff – ohne jedoch genau ausmachen zu können, wo er sich befand.
So also hatte er mir aufgelauert. Ich verhielt mich ganz still, versuchte möglichst nur den Kopf zu bewegen. Aber da war nur Dunkelheit, ein dämmriges Durcheinander von dunkel glänzendem Metall, und Myriaden kalter, unbewegt leuchtender Sterne ringsumher.
Mein Blick fiel auf das Aggregat. Ob ich das Aggregat sabotieren konnte? Unwillkürlich schüttelte ich den Kopf. Ich hatte ja nicht einmal einen Schraubenzieher dabei.
Unten auf der Erde wanderte ein dunkles, schlafendes Madagaskar vorbei und erinnerte mich daran, daß die Zeit unaufhaltsam verrann. Ich mußte hinauf auf die Plattform. Es war auf einmal ruhig im Gestänge. Wahrscheinlich saß Khalid wieder am Steuerknüppel der Handsteuerung, fest entschlossen, sich nicht durch mich von seinem Vorhaben abhalten zu lassen. Einer plötzlichen Eingebung folgend, fing ich an, wie wild mit den Fäusten auf die umliegenden Stangen einzuschlagen.
Mein rechter Arm schmerzte wie loderndes Feuer, aber ich hangelte mich wieder an einer Stange bis an den Rand der Plattform, während ich unentwegt mit beiden Füßen auf alle Metallteile hämmerte, die ich erreichen konnte. Es war unmöglich, daß er das nicht spürte – der ganze Turm schien mit einem Mal zu beben –, und bestimmt würde es ihn irritieren.
Ich behielt den Rand der Plattform im Auge. Und tatsächlich sah ich ihn kurz darauf schräg links von mir herabschauen, den Revolver schußbereit im Anschlag. Im selben Augenblick schnappte ich mit beiden Händen nach der Umrandung und federte mich nach oben, schreiend vor Schmerz.
Ich bekam einen richtigen Haltegriff zu fassen, bremste meine heftige Bewegung ab und versuchte mich hastig zu orientieren. Der nächste Halt: eine Rohrleitung. Ich hangelte mich weiter, mit zusammengebissenen Zähnen, während mein rechter Arm in Stücke zu brechen schien. Ich mußte Khalid erreichen, ich mußte ihm irgendwie weh tun…
Aber der Pirat hatte sich schon wieder aufgerappelt, ehe ich die Halterung der Energiesenderschüssel halbwegs umrundet hatte, und suchte bereits wieder mit gezückter Waffe die Umgebung ab, in der jemand in einem weißen Raumanzug eine leichte Zielscheibe darstellte.
Und die rote Sonne der japanischen Flagge war direkt über dem Herzen angebracht, wie eine Zielscheibe. Er wußte, daß ich keine Waffe mehr hatte. Er wußte, daß er sich unbefangen bewegen konnte, während ich in Deckung bleiben mußte. Vielleicht wußte er sogar, daß ich verletzt war.
Mein Herz hämmerte wie ein Preßluftbohrer, mein Atem ging keuchend, und der Ventilator meiner Klimaanlage dröhnte auf vollen Touren. Ich schwitzte. Der ganze Anzug schien allmählich vollzulaufen mit meinem eigenen Schweiß, und jede Faser meines Körpers sehnte den Augenblick herbei, in dem ich ihn mir wieder vom Leib würde reißen können.
Die Fasern meines Körpers ahnten nicht, daß die Chancen gerade denkbar schlecht standen, daß dieser Augenblick jemals kommen würde. Da draußen in der sternerfüllten Finsternis schlich jemand umher, der fanatisch entschlossen war, genau das zu verhindern.
Und die Scheibe meines Helms begann zu beschlagen. Der Hersteller dieses Kunststoffes garantierte Beschlagfreiheit bei jeder beliebigen Luftfeuchtigkeit. Ich würde ihn verklagen.
Plötzlich hörte ich ein Knacken in meinen Kopfhörern, und gleich darauf Khalids Stimme, bedrohlich ruhig und gefährlich.
»Leonard? Ich weiß, daß Sie es sind. Ich weiß, daß Sie hier oben sind und daß Sie keine Waffe mehr haben.« Er sprach immer weiter, als wolle er mich einlullen, mit seiner weichen, dunklen Stimme, die ihm bei Frauen bestimmt viel Erfolg eingebracht hatte. Nur daß sie jetzt einen kaum wahrnehmbaren Unterton hatte, der schon dem Wahnsinn gehörte.
»Und Sie wissen, daß Sie keine Chance mehr haben. Ich werde Sie gleich erschießen, Leonard,
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